Verschiedene: Die Gartenlaube (1876) | |
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bei Ueberschuß von Wasserkraft die Betriebskosten der elektrischen Maschinen nicht in Betracht kommen, betragen die gesammten laufenden Kosten für diese brillante und außerdem jede Feuergefahr ausschließende Beleuchtung weniger als zehn Pfennige in der Stunde. Letztere Kosten werden lediglich durch die Abnützung der Kohlenstiftchen hervorgerufen, deren durch den elektrischen Strom verursachtes Glühen eben das elektrische Licht darstellt. Diese letztere Abnützung will übrigens ein französischer Physiker Ladiguine in der Folge gänzlich vermeiden, indem er den ununterbrochenen, glühenden Kohlenstift in einem sauerstofffreien Glasbehälter luftdicht eingeschlossen hält, sodaß man künftig bei disponibler Wasserkraft die herrlichste Beleuchtung umsonst haben kann.
Auch im Gasbeleuchtungswesen begegnet man wundersamen Wandlungen. So hat das vor nicht langer Zeit eröffnete neue Pariser Opernhaus eine Rampe erhalten, deren einhundertundzwanzig Gasflammen nicht wie andere rechtschaffene Flammen nach oben brennen, sondern wie diejenigen der verkehrten Welt abwärts züngeln. Sie sind nämlich allesammt in luftdichte Glascylinder eingeschlossen, in denen ein, wie das Gas selber, von oben eintretender scharfer Luftstrom die Flamme mit sich nach unten reißt. Da hierbei die Flammen vollkommen nach außen abgesperrt sind, so entweicht nicht nur kein Dunst und keine Hitze in den Saal, sondern die Tänzerinnen und Sängerinnen dürfen sich auch ohne Gefahr für ihre Kleider und ihr Leben der Rampe nähern, besonders da zugleich die Einrichtung getroffen worden ist, daß jeder springende Cylinder in demselben Augenblicke das Gas selbst absperrt. Diese unterwärts brennende Flammenlinie hat außerdem die Einrichtung, nach oben über die Bühne steigen zu können und dann ihre Vorzüge noch mehr geltend zu machen, da sie nach unten fast keinen Schatten wirft. Aber auch die Zimmerbeleuchtung ist von den modernen Erfindern nicht vernachlässigt worden. Auf der Philadelphia-Industrie-Ausstellung erwirbt sich Berford’s Gas-Sonnenlicht-Apparat, das „beste Licht von der Welt“, viele Bewunderer. Es ist eine sehr einfache Idee, die ihm zu Grunde liegt; man könnte sie als die „Schusterkugel im Salon“ bezeichnen. Aber es ist vielmehr nur eine Halbkugel, eine oben offene halbkugelige Glasschale, die, mit Wasser gefüllt, unmittelbar unter dem wagerecht brennenden Schwalbenschwanzbrenner angebracht wird. Dadurch wird nicht nur, ohne dem Zimmer die Beleuchtung zu entziehen, der Hauptlichtstrom auf den darunter befindlichen Arbeitstisch (für Künstler, Graveure, Juweliere, Uhrmacher, Lithographen, für Lesen und Schreiben) verdichtet, sondern den Lichtstrahlen auch der gelbröthliche Antheil und die Hitze, welche das Wasser verschluckt, genommen, sodaß ein kühles, angenehmes und doch kräftiges Licht auf die Handarbeit fällt. Will man das Licht (z. B. für Krankenzimmer) dämpfen, so braucht man nur gefärbtes Wasser anzuwenden. Den gleichen Zweck der Absperrung der Wärmestrahlen erreicht man, nebenbei bemerkt, nach Landsberg’s älterem Vorschlage durch Glimmerplatten.
„Zweitausend Jahre deutschen Lebens.“ So lautet die culturgeschichtliche Aufgabe, welche unser Johannes Scherr sich für ein nationales Prachtwerk „Germania“ gestellt hat. Wie haben unsere Altvordern gelebt, daheim und draußen, in Haus und Familie, in Werkstatt und Feld, in Frieden und Krieg? Wie stand es um Kleidung und Nahrung, um Nothdurft und Luxus, um Vergnügen und Leidwesen vom ersten urkundlichen Deutschen bis zur Gegenwart? Welcher Wandel auf Herd und Tisch, auf Straße und Strom, auf Markt und Meer war nöthig – welche Reihe von Erfindungen vom ersten Glase, vom ersten Messer, vom ersten Hemde, um die Menschen bis zu den Verkehrs- und Verheerswundern unserer Tage vorwärts zubringen? Die Beantwortung dieser und vieler anderer Fragen soll in Wort und Bild belehrend und schmückend zugleich geschehen, und zwar so, daß die politische Geschichte Deutschlands und der deutschen Länder mit ihren Haupt- und Staatsactionen, Soldaten- und Diplomatenverrichtungen stets nur den Hintergrund zu den Bildern liefert, welche den gleichzeitigen Culturstandpunkt im Leben des Einzelnen, durch alle Stände von der Bauernhütte bis in das Kaiserschloß und von den Alpen bis zu den nordischen Meeren hinauf darzustellen haben. Der Schwerpunkt des Ganzen soll in der Schilderung des häuslichen Lebens beruhen, das zu allen Zeiten der beste Spiegel der Bildung eines Volkes war. – Daß Johannes Scherr vor dieser Aufgabe steht, sichert dem Werke seinen Werth. Wir freuen uns, aus den ersten uns vorliegenden Druckbogen zu erkennen, daß der alte Kämpfer in seiner Darstellung ungewöhnliche Ruhe mit Wärme und Klarheit vereint und so auch innerlich die Würde eines „nationalen Prachtwerkes“ wahrt. Was die Illustration desselben verspricht, dafür lassen wir die Abbildung zeugen, welche auf Seite 703 uns vor ein Patrizierhaus des 16. Jahrh. führt. Die Verlagshandlung (W. Spemann in Stuttgart) scheut sichtlich keine Opfer, um diese „Germania“ zu einem ebenso reichen, wie stattlichen Schatze der Belehrung über den interessantesten Theil unserer Vergangenheit zu machen. –
Zum Kleist-Jubiläum (10. October) sind zwei neue Ausgaben von Bühnendichtungen dieses bedeutendsten unter den Vertretern der romantischen Schule erschienen, welche wir als einen Beweis für das ungeschwächt fortlebende Interesse an dem genialen Dichter freudig begrüßen – Hermann Riotte’s Bearbeitung der „Penthesilea“ und Karl Siegen’s Ausgabe des „Zerbrochenen Krugs.“
Unter den Repräsentanten jener bedeutsamen Periode unserer Literatur, welche den Uebergang des Schiller-Goethe’schen Classicismus zur Romantik bezeichnet und deren leuchtendster Stern unser Heinrich von Kleist ist, hat wohl Keiner in weitesten Kreisen eine so liefgehende Sympathie gefunden wie gerade er. Nicht sowohl seine hervorragenden dichterischen Thaten, als vielmehr die wahrhaft erschütternden Schicksale seines persönlichen Lebens, welche gewissermaßen den unheimlich düsteren Hintergrund bilden, von dem sein poetisches Schaffen sich um so wirkungsvoller abhebt, haben sein melancholisches Haupt mit dem Glorienschein umgeben. Heinrich von Kleist, der Dichter sowohl wie der Mensch, ist im Bewußtsein seiner Nation längst zu einer romantischen Gestalt geworden, romantisch, wie seine Dichtungen selbst. Aber über den Schöpfer hat man die Geschöpfe vergessen. Abgesehen von „Käthchen von Heilbronn“ und allenfalls vom „Prinzen von Homburg“, sind Heinrich von Kleist’s Dramen nur einem kleinen Theile der Nation bekannt geworden. Wer kennt heutzutage „Die Familie Schroffenstein“, wer die „Hermann-Schlacht“ und die anderen dramatischen Schöpfungen unseres Dichters? Nur eine kleine Gemeinde. Um so verdienstvoller ist das Erscheinen der beiden oben genannten fleißigen und einsichtsvollen Bearbeitungen Kleist’scher Dichtungen. Sie kamen zur Jubiläumsfeier unseres Romantikers gerade rechtzeitig, um die deutsche Literatur- und Bühnenwelt auf den großen Namen eines Dichters auf’s Neue hinzuweisen, der gleich ausgezeichnet ist durch die Kraft und Kühnheit seiner dramatischen Gestaltungsgabe, wie durch die Größe und Eigenart seines excentrischen Naturells, der zugleich über echte Weihe des Gedankens und hinreißende Leidenschaft des Gefühls verfügt und, was die realistische Kraft seines dramatischen Schaffens und Bildens betrifft, den Ehrentitel eines deutschen Shakespeare nicht unwürdig trägt.
Es ist nicht gut, allein zu sein.
Auf welchen Pfaden man auch wand’re,
Der Augenblick stellt doch sich ein,
Wo eine Hand wohl braucht die and’re.
Ob Lebenspfad’ ob Wandelgänge,
Ob hoch im Fels, ob tief im Hain,
Es thut nicht gut so auf die Länge,
Es ist nicht gut, allein zu sein.
Auf eb’nem Weg mit jungem Muth
Ist’s leicht: „Selbst ist das Weib!“ zu sagen.
Doch gilt’s, durch Berg- und Schicksalsfluth
Den Sprung von Fels zu Fels zu wagen,
Willkommen ist in Scherz und Harme
Die treue, starke Stütze dann.
Die liebe Anmuth fest im Arme
Frohlockt sein Herz: „Selbst ist der Mann!“
Es giebt gar manchen Uebergang,
Der ist nicht lächelnd zu beschreiten.
Oft wär’ dem Einen angst und bang,
Hielt’ Hand und Herz nicht fest am Zweiten.
Und ist das Schwere überstanden,
Wie stimmen da so froh mit ein
Die Zwei, die sich zusammen fanden:
Es ist nicht gut, allein zu sein.
E. W. in R. Bitte, „belästigen“ Sie nur ferner so fort! Ihre Sendungen sind stets willkommen.
M. in G. Wenn der Herr Dr. med. in K. den Unsinn, von dem Sie berichten, wirklich vom Stapel gelassen hat, stecken Sie ihn sofort in ein Irrenhaus!
Dr. E. W. Nicht geeignet! Wohin haben wir das Manuscript zu dirigiren?
Zur Nachricht, daß der Schluß des Artikels: „Bilder und Skizzen aus Potsdam“ in nächster Nummer erscheint.
hat sich in zehn Auflagen bereits als Hausschatz der Familie bewährt und wird, unerreicht in seinen Erfolgen, auch in der elften Auflage als Helfer in der Noth wieder willkommen geheißen werden.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 714. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_714.jpg&oldid=- (Version vom 11.2.2023)