Verschiedene: Die Gartenlaube (1876) | |
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von rothem, sage rothem Tuche vorschrieben. Und so war denn auch Meister Spath’s Ehrengewand, in welchem er einst seine längst entschlafene „Theres“ geehlicht hatte und in welchem jetzt Kohlmops höchst befriedigt sich umschaute, ein Frack von der schönsten blutrothen Farbe.
Bald stand der Student mit festem Tritt und zuversichtlicher Haltung auf der Schwelle des Amtslocals vor den erstaunten Augen des Commissarius, den solche Frechheit fast mit Entsetzen erfüllte. War es denn möglich, ihm, dem mit den stärksten Vollmachten ausgerüsteten Vertreter einer königlichen Regierung, eine solche Unverschämtheit zu bieten? Mit einem Ruck, der das ganze Polizeistrafgesetz mit allen seinen Schrecken enthielt, stürzte er sich in wilder Wuth auf den Unglücklichen und rief ihm mit geiferndem Munde entgegen:
„Sie nichtswürdiges Subject unterstehen sich, in diesem Harlequins-Aufzug vor mir zu erscheinen und mich mit Ihrer Mummerei zu foppen? Wahrlich, das sollen Sie mir büßen! Amtsknecht vor!
Aber lächelnd, mit dem Bewußtsein der Unschuld auf seinem freundlichen Angesichte, beginnt Kohlmops:
„Halten zu Gnaden, wenn ich Dero Intention nicht ganz getroffen habe! Sie haben mir befohlen, im Frack zu erscheinen, gleichviel, woher er stamme. Dies hier ist der Hochzeitsfrack des Metzgers Spath in der Gogerei, der mir die Freundschaft erwiesen hat, mir denselben zum würdigen Erscheinen vor dem gestrengen Herrn Commissarius zu leihen. Ich habe nun Ihren Befehl wörtlich befolgt; deßwegen bitte ich, mich nicht unschuldig einer unverdienten Behandlung auszusetzen.“
Jetzt sah sich der Gewaltige in dem Netze seiner eigenen Worte gefangen, und sich selbst beherrschend, um sich keine weitere Blöße zu geben, fuhr er bedeutend sanftmüthiger fort: „Aber was fällt Ihnen ein, sich in einem rothen Frack zu präsentiren? Das ist ja schauerlich despectirlich.“
„Bitte sehr um Entschuldigung! Die Frage in Betreff der Farbe des Fracks, in welchem ich erscheinen sollte, ließen Sie bei unserer erstmaligen Unterredung ganz bei Seite. Es stand mir also frei, mich auch der rothen Farbe zu bedienen, und überdies –“
Doch hier unterbrach der sonst so gewaltthätige Beamte den beginnenden Redefluß des Studiosen mit der kurzen Bemerkung: „Die Formfrage wäre hiermit erledigt, aber ich warne Sie vor ähnlichen Streichen. Da Sie Ihre Gesetzesübertretung, betreffend den Besuch einer Weinwirthschaft vor zwölf Uhr, zugegeben haben, so haben Sie hierfür sofort zwei Thaler Strafe zu erlegen.“
Da kratzte sich Kohlmops verlegen hinter den Ohren und sprach: „Meine Börse steckt leider in meinem Sammetrocke; ich habe vergessen, dieselbe in diesen Frack zu schieben; hätten Sie mich in meinem eigenen Gewande annehmen wollen, so müßte ich jetzt nicht zum dritten Male den Herrn Polizeicommissarius belästigen, indem ich mich schleunigst heimbegeben und mich mit Geld versehen will.“
Schon hatte er die Thür geschlossen, als er sie schnell noch einmal öffnete und hereinrief: „Muß ich nun wieder in dem rothen Fracke erscheinen, oder darf ich im Sammetrocke kommen?“
Das war dem Manne denn doch zu viel. „Scheren Sie sich in des Henkers Namen fort! Ich will Sie nimmer sehen, weder im Fracke noch im Sammetrocke, Sie –“
Doch Kohlmops zog im Triumphe der verlassenen Kneipe zu. Es war die Mittagsstunde gekommen, wo Schulen und Hörsäle sich leeren. Da war’s denn ein Gaudium, die abenteuerliche Gestalt des Studenten in dem ungeheuren rothen Fracke zu sehen. Unter Hurrah und Jubelruf nahmen seine Freunde ihn in die Mitte, und eine Schaar fröhlicher Jungen, denen er mit fliegenden Worten seine Schicksale mitgetheilt hatte, wälzte sich durch die engen Gassen der Gogerei auf das Haus Spath’s zu, der heute zu Ehren des Abenteuers und seines Hochzeitfrackes noch ein Fäßlein Remsthaler anstach und lustig seine Gäste bediente. Manches Pereat ward der verhaßten Polizeiwirthschaft gebracht, manches kräftige Lied in tyrannos intonirt; manche kräftige Lache erschütterte die niedrigen Räume der Weinstube. Aber auch mancher Schoppen ward geleert, und Scherz und Fröhlichkeit herrschten den ganzen Abend, bis endlich mitten unter den singenden, lärmenden Cameraden Einer sein schweres Haupt auf die Tischplatte sinken ließ, der zuvor der lauteste Sänger und der animirteste Trinker im Kreise gewesen war: es war Kohlmops – im rothen Fracke.
Eine Heiligen-Erscheinung zur ebenen Erde. An die Erscheinungen der Madonna auf Obstbäumen, wie sie bekanntlich während der letzten Jahre im neuen Reichslande häufig vorgekommen sein sollen, erinnert mich, wahrscheinlich sehr sündhafter Weise, eine „Erscheinung“, die ich selbst ganz vor Kurzem im botanischen Garten von Schöneberg bei Berlin gehabt habe. Während ich im hellen Nachmittagssonnenschein zwischen zwei und drei Uhr an dem großen Rasenplatze vor dem Palmenhause vorüberwandele, sehe ich plötzlich meinen unwürdigen Schatten mit einem so wundervollen Heiligenscheine um den Kopf, daß ihn die Schwärzesten unter den Schwarzen darum hätten beneiden können. Und zwar spazierte Seine Heiligkeit, mein Schatten, auf einer Baumkrone ebenso gut, wie die elsässer und lothringer Madonnen umher, und sowie ich ihn nöthigte, von derselben herunter zu kommen, verschwand auch der Nimbus völlig. „Die Nachmittagssonne, welche den Schatten eines Menschen vom ebenen Gartenwege auf eine Baumkrone zaubert, möchte ich kennen lernen,“ sagt Sanct Thomas, der Unverbesserliche, aber ich kann ihm versichern, daß ich selber meinen Augen nicht traute. „Theils dieserhalb, theils außerdem,“ wie Wilhelm Busch so schön sagt. Schon die Baumkrone selber, auf welcher die Erscheinung zu sehen war, ist ein wahres Wunder; sie gehört nämlich dem niedergestreckten Wachholder (Juniperus prostrata) an und liegt wie ein silbern durchstickter, zwei bis drei Quadratmeter großer, hellgrüner Plüschteppich flach im Rasen, wobei die feinen Nadeln des ausgebreiteten Astwerks die starken, platt an dem Boden anliegenden Hauptäste vollkommen mit ihrem Pelzwerke verhüllen.
Ich habe den Lesern der „Gartenlaube“ früher einmal erzählt (Jahrgang 1873), daß dergleichen Erscheinungen auf thaubedecktem Rasen bei Morgen- oder Abendsonnenschein, wenn die Schatten riesenlang dahin schießen, wahrgenommen werden, aber hier waren die kleinen Nadeln völlig trocken, die Sonne hoch am Himmel, und der lichtumflossene Schatten lag dicht vor mir. Da die merkwürdige Erscheinung meines Wissens noch niemals unter diesen abweichenden Umständen beobachtet, respective beschrieben worden ist, so bin ich, gerade wie die guten Leute von Marpingen, im Juli mehrere Male mit naturkundigen Freunden nach dem Wunderbaume im Schönberger botanischen Garten hinausgewallfahrtet und sehr erbaut von der jedesmal wiedergekehrten Erscheinung zurückgekehrt. Die schimmernden Nadeln dieses rasenbildenden Wachholders wirken also ganz ähnlich wie die Thautröpfchen, indem sie die im Umfange des Kopfes darauf fallenden Strahlen am vollkommensten in das Auge des Beobachters zurückwerfen. Weder Lebensbäume noch andere Wachholderarten, die ich darauf ansah, boten einen ähnlichen Effect. Besonders auffallend wurde, wegen der Kürze des Schattens, die leicht erklärliche Eigenthümlichkeit, daß von mehreren Personen Jeder nur um seines eigenen theuren Hauptes Schatten den Silberglanz wahrnimmt, während die Schatten der Begleiter scheinlos umherspazieren müssen, eine Beobachtung, die wohl schon manchen Heiligen, wie ich früher von Benvenuto Cellini erzählt habe, zu dem Glauben verführt haben mag, er allein gehöre zu den Auserwählten, aus deren Schatten sogar Licht hervorsprüht.
„Ein riesiger Wohlthäter“ ist in Nr. 5 der „Gartenlaube“ der blaue Gummibaum genannt worden, und es sind ihm außerdem wegen seiner Größe und anderer schätzenswerthen Eigenschaften Ehrenbezeichnungen, wie „lebendige Pestscheuche“, „Desinfection in Person“, „Vertreiber aller schlechten Dünste“ etc. zu Theil geworden. Leider reicht sein Gedeihen nicht weiter, als bis an die Nordküsten des mittelländischen Meeres. Italien könnte seine sumpfigen und ungesunden Lagunengegenden noch damit verbessern. In unserem Klima kann er die Winterkälte im Freien nicht überdauern. Da er aber an einem frostfreien Ort – im Gewächshaus, Zimmer oder Keller – leicht überwintert und für die guten Jahreszeiten eine Zierde jedes Gartens werden kann, so hat der Kunstgärtner Karl Gustav Deegen in dem durch seine großartige Blumenzucht berühmten Köstritz die Anzucht dieses Eucalyptus im Großen übernommen. Bei seinen Culturversuchen hat er die Erfahrung gemacht, daß dieser Gummibaum im Sommer im freien Lande sich sehr gut entwickelt und im Herbst ohne Schaden zum Ueberwintern in ein Gefäß – Topf, Kübel oder Korb – gebracht werden kann.
Da sehr viele Pflanzenliebhaber und Gärtnereien dieses umständlichere Verfahren bei andern weniger interessanten Pflanzen einschlagen müssen, so dürfte es gewiß auch kein Hinderniß sein, den hochinteressanten, nützlichen Eucalyptus, der überdies hübsch aussieht und einen angenehmen Geruch verbreitet, in unsere Gärten einzuführen. Es ist natürlich, daß er unter [WS 1] solchen Culturverhältnissen langsamer wächst und nicht zu große Dimensionen annimmt, und vortheilhaft ist es der Ueberwinterungsräume und des Transportes wegen, daß der Baum im Schnitt gehalten werden kann.
Ch. D. in L. Soweit die Kürze der Zeit es zuläßt, werden wir Ihren Wunsch erfüllen und den monumentalen Schmuck des Augustusplatzes beim Kaiserempfang in unserer nächsten Nummer zur Darstellung bringen.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: unser
Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 626. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_626.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)