verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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zischenden, mißtönigen Ausrufen und Declamationen traten die Augen brennend und stier aus dem Kopfe heraus, schauderhafter Anblick, schief wie sie waren und aus den grell gestreiften Gesichtern! So fern, wie sie uns waren, bemerkt’ ich doch deutlich, wie ihnen die Adern an Stirn und Hals dabei anquollen und fieberisch herausklopften. Jedenfalls spielten sie mit wirklichem, feurig gefühltem Pathos und nicht mit anstudirter Kunst, nach unsern Begriffen zwar roh und übertrieben, aber entschieden so, wie es das Publicum für schön und ausdrucksvoll hielt.“
Diese wandernden Theater sind ungemein häufig und populär. Man kann sie natürlich eben so wenig zum Maßstabe der chinesischen Schauspielkunst und der Cultur machen, wie wir die deutsche Dramatik nach dem Thespiskarren kleiner Provinzialstädte und wandernder Truppen beurtheilen. Was wir hier schilderten, war eben nichts mehr und nichts weniger, als ein Stück wirklichen chinesischen Volkslebens.
Ein neuer unterseeischer Vulcan wird vom Capitän Newell vom Wallfischfänger „Alice Frazier“ im San Francisco Herald also beschrieben: „Als ich am 25. Juli 1856 in Begleitung mehrerer Schiffe durch die Meerenge von Onnimach, einer der ale-utischen Inseln, fuhr, bemerkte ich eine heftige vulcanische Thätigkeit, indem mehrere Berggipfel der benachbarten Inseln bedeutende Massen schwarzen, dicken Rauches auswarfen.
Im Begriff, mit mehreren anderen Wallfischfängern die Ostspitze der Insel zu umsegeln, geriethen wir fast gleichzeitig an den Fuß des Vulcans, und hatten hier Gelegenheit, die furchtbare Erscheinung genauer zu beobachten, und das lange und dumpfe Getöse des Erdbebens deutlicher wahrzunehmen, das wir schon vorher an mehreren auf einander folgenden Stößen bemerkt hatten, zumal als jetzt der Wind plötzlich in seiner Heftigkeit nachließ, und eine Windstille eintrat, während welcher wir ganz der Gefahr des Ausbruchs ausgesetzt waren. Die Eruption ward bald schwächer, bald stärker, nach einigen Stunden aber so heftig, und das Tosen der Elemente so furchtbar, daß für uns wenig Hoffnung blieb, fortsegeln zu können. Bei völliger Windstille schoß ein schwarzer, dicker Rauch in gerader Richtung empor, ohne nur um eine Linie von seiner Bahn abzuweichen. Die ausgeschleuderte Masse vertheilte sich hierauf allmählich in kalte, graue Wolken, deren Aschenmassen schneeflockenartig herabfielen, aus der Ferne aber den Anschein eines Strichregens hatten. Es mochte 12 Uhr sein, als wir durch einen leichten Wind der nahen Gefahr entrissen wurden; wir spannten alle Segel auf und flohen. Derselbe Wind trieb aber auch die große Aschenmasse auf die Meeresfläche, und es entstand eine so vollständige Finsterniß, daß wir gar kein Land mehr sehen konnten. Später erfuhren wir, daß sich diese Dunkelheit über 100 engl. Meilen weit erstreckt haben soll. Gleich einem Schneeorkane fiel nun die Aschenmasse auf uns und hüllte Alles vom Deck bis zum Mastkorbe in einen grauen Staubmantel, so daß alle Jene, welche diesem Unwetter ausgesetzt waren, fast erblindeten, ja, da der Aschenregen von Minute zu Minute immer dicker ward, wir Alle in Gefahr geriethen zu ersticken. Zum Glück nahm der Wind zu, wir segelten westwärts, und verließen die Unglücksstelle, welche uns mit dem Schicksale des Plinius bedrohte. Als es endlich um uns wieder hell ward, hatten wir viele Mühe, uns von der Asche zu reinigen. Letztere glich der Steinkohlenasche.
Aber der erhabenste Augenblick des Schauspiels war noch nicht vorüber. Als der Wind sich verstärkte und die Wogen höher giengen, kamen vier andere Schiffe herbei. Eben, als sie sich dem Nordrande des Berges näherten und mit Staunen das Aufwallen über ihren Häuptern betrachteten, vernahmen sie ein langes, dumpfes Rollen unter sich, ein Getöse, welches sich kurz darauf in dem Hervortreten eines außerordentlich großen und furchtbaren Vulcans, inmitten der versammelten Schiffe, kund gab. Die Wogen kochten wild und regellos im Tumult empor, schossen darauf als glänzende Wassersäule auf und stürzten zuletzt in sich selbst zusammen. Nur langsam beruhigte sich dieser Aufruhr. Doch plötzlich sah man aus dem geöffneten Boden unter einem furchtbaren, Alles erschütternden Donner einen Flammenstrom mit Rauch gen Himmel auffahren, gleich als wollten die Feuer des Erdinnern hier ihren Ausgang nehmen. Nun spie der Vulcan Lava und Bimstein, oft in Stücken wie große Kugeln, aus und überschüttete damit alle Schiffe mehr oder weniger, versetzte aber auch die Mannschaft in die größte Todesangst. In die Luft geschleudert zu werden, oder in die Tiefe des Meeres zu versinken, Beides drohte gleich sehr. Doch auch dieser Ausbruch ging schnell vorüber, fast so unvermuthet, wie er eingetreten war. Die Wogen stürzten in weiten, dem Malstrome zu vergleichenden Wirbeln, in den geöffneten Schlund. Die Schiffe entflohen und überließen den Vulcan seinem wechselnden Zustande von auf einander folgenden Ausbrüchen und ruhigen Pausen, begleitet von unterirdischen Donnern, deren Zwischenpausen die verschiedenen Phasen seiner Entwicklung verkündigten.
Musicirende Fische. Wer eine neue Art von Musikanten kennen lernen will, noch dazu solche, von deren Ton- und Stimmlosigkeit man bisher die festeste Ueberzeugung hatte, der mache einen kleinen Abstecher nach Ostindien. Dort hört man in der Nähe von Salsette und der Insel Siuri bei Sonnenuntergang wirklich musikalische Töne, von denen man auf den ersten Augenblick glaubt, daß sie von einer entfernten durch den Wind herübergetragenen Musik herrühren. Allein ein aufmerksames Ohr wird nur auf kurze Zeit in dem Wahne bleiben, es seien die aushaltenden Töne einer wohlklingenden Glocke oder die letzten Accorde auf einer Aeolsharfe. Denn von allen Seiten läßt sich der langgezogene Ton gleichmäßig, wenn auch gleichsam durch große Entfernung gedämpft, vernehmen; deutlicher, wenn man das Ohr auf den Boden des Schiffs oder an die Oberfläche des Meeres legt. Doch sieht man auf dieser weit und breit nichts, was die Veranlassung zu jenen Tönen sein könnte; es müssen also wohl die Musikanten, da sie sich nicht über dem Wasser befinden, unter demselben stecken. Und so ist es. Die Bewohner jener Inseln bezeichnen einen an Größe und Gestalt unserm Barsch ähnlichen Fisch als den Urheber der angenehmen Musik. Dieser soll sich in ungeheurer Menge in jenem Theil des Meeres aufhalten, vielleicht deshalb, weil dasselbe dort schlammig und seicht ist, daher auch von Schiffen und größeren Meerfischen, namentlich Wasserpiraten, nicht beunruhigt wird. Gelingt es die lebendig gefangenen Exemplare dieser Fischart zu erhalten, so dürfen wir bei sorgfältiger Beobachtung vielleicht merkwürdigen Aufschlüssen entgegen sehen. Wer aber die Möglichkeit solcher Fischleistungen überhaupt bezweifelt, der sehe sich nur in der Natur um: wie vielen lebenden Wesen, selbst unter den Menschen wohl nicht wenigen, ist den größten Theil des Jahres hindurch die Stimme versagt oder scheint mindestens versagt zu sein, bis mit dem neuen Frühling die neue Liebe auch neues Leben hervorruft. Sollte nicht die Macht der Liebe den selbst im größten Schmerze stummen Fisch beredt machen können, und wenn auch nicht alle, so doch die eine oder andere Art?
Daß die angestellten oder noch anzustellenden Versuche zu einem bestimmten Ergebniß führen mögen, ist um so mehr zu wünschen, als von anderer Seite angestellte Forschungen zwar die fragliche Musik bestätigen, aber ein andres Thier als Musikanten nennen. Darnach ist es nicht unser Fisch, sondern der mit langen Füßen und Fühlhörnern versehene Insasse einer in Unzahl auf dem Meeresgrunde liegenden, spiralförmigen, einschaligen Muschel. Dieses Thierchen giebt den eigenthümlichen musikalischen Ton bei Nacht stark und deutlich an. Wie viel zarte Musik aber in diesem Tone, der oft wiederholt wird, liegen muß, geht daraus hervor, daß auch diese Beobachter ihn mit dem Klange einer Harfen- oder Guitarrensaite, oder mit dem kurzen Anschlag eines Accordions vergleichen.
Literarisches. „Wenn eine Riesenhand die ganze Alpenkette entwurzelte und in die Tiefe des Oceans versenkte, so wurde sie spurlos im Abgrunde verschwinden und die Oberfläche der Gewässer kaum merklich erhöhen. Ja ein ganzer Welttheil wie Asien oder Amerika, erscheint uns klein, wenn wir ihn mit der Unermeßlichkeit des Meeres vergleichen, welches an Größe alle Continente und Inseln fast dreimal übertrifft.“ – Mit diesen Worten leitet der bekannte Badearzt in Ostende, Dr. Hartwig, sein kürzlich erschienenes Werk: „Das Leben des Meeres“ (Frankfurt a. M., 1857.) ein. Er liebt das Meer, „wie nur der Schweizer seine Alpen lieben kann,“ und in der That sein Buch legt ein ehrendes Zeugniß seiner Liebe zu dem oceanischen Leben und Weben ab. Es !iegt darin eine wirklich glückliche Vereinigung von wissenschaftlichem Ernst und poetischer Auffassung wie Darstellung und man wird bei der Lectüre unvermerkt von Seite zu Seite geführt unter den genußreichsten Stunden. Die erste Abtheilung gibt die physikalische Geographie des Meeres und spricht über seine Ausdehnung, Tiefe, Küsten, Farbe, Eis, Salzgehalt, Wellen, Ebbe, Fluth, Strudel und Strömungen, Winde etc. Der zweite Theil spricht über die Bewohner des Meeres von Wallfischen und Seebären bis zu den Infusorien herab, von der Pflanzenwelt und den unterseeischen Landschaften etc.
Die dritte Abtheilung liefert die Geschichte aller Entdeckungsreisen zur See von den Phöniciern bis auf unsere Zeit. Gewiß wird der rastlos grübelnde Forschergeist der Menschen in diesem unermeßlichen Wasserreiche tausende von Entdeckungen später noch machen, aber das bisher schon Erworbene mühsam der ewig kreisenden Fluth Abgerungene verdient schon zum weitesten Gemeingut zu werden. Das Hartwig’sche Buch bietet ihm auf 26 Bogen Gelegenheit zu dieser Umschau in der unendlichen Wassermenge, und wir können diese Gelegenheit als eine gute nur empfehlen. – Viel Heiterkeit erregt in naturwissenschaftlichen Kreisen die Schilderung der Naturforscherversammlung in Wien in Westermann’s Monatshefte. Wie konnte das sonst mit Geschick redigirte Journal einen Artikel aufnehmen, der nur um der Eitelkeit eines bekannten schriftstellernden Mediciners willen geschrieben ist, der von der Wissenschaft vollständig negirt wird. - Auerbach’s neueste Dorfgeschichte: „Barfüßele,“ von der Anfangs viel Lärm geschlagen wurde, wird von der Kritik durchgängig als ein durchaus verfehltes Product bezeichnet, das zwar, wie sich bei einem solchen Autor von selbst verstehe, einzelne Schönheiten habe, als Ganzes aber matt und unnatürlich sei. Selbst seine literarischen Freunde müssen das Buch als eine nicht sehr gelungene Leistung bezeichnen. – Glaßbrenner’s Zeitschrift: Ernst Heiter scheint trotz des Verbotes in Preußen einen guten Erfolg zu haben, wenigstens kündigt der Redacteur das Fortschreiten des Blattes in ganz witziger und heiterer Weise an.
Mit dieser Nummer schließt das erste Quartal und ersuchen wir die geehrten Abonnenten ihre Bestellungen auf das zweite Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_184.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)