verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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operiren unter General Chrulieff. Die Engländer sind im persischen Meerbusen angekommen und haben Buschir bereits genommen. Die Truppen des persischen Schach streiten noch für den Besitz „des Schlüssels zu Indien.“ Dadurch bekömmt dieser Boden ein Interesse für uns. Wir kennen etwas davon, besonders durch den Maler Jules Laurens, der die neueste Autorität über Persien, M. Hommaire de Hell, auf seinen Reisen durch Oberpersien begleitete und unter vielen anderen Ansichten nach der Natur auch die beifolgende, den Paß durch den Kaukasus in Oberpersien, den berühmten Sialekpaß, auch kaspisches Thor genannt, zeichnete. Es ist dies der wichtigste strategische Weg durch die furchtbare kaukasische Gebirgskette, durch welchen auch Alexander der Große vor zwei Jahrtausenden (333 vor Chr. Geb.) gegen den letzten Perserkönig Darius Codumanus zog, um der Perserherrschaft ein Ende zu machen. Der furchtbare Hohlweg ist nicht länger, als eine Stunde, aber dabei schwieriger für eine Armee, als ein Marsch über ein halbes Land. In der Regel ziehen blos Karavanen oder räuberische Horden hindurch, aber in Kriegszeiten wird sich dies natürlich ändern. Die Felsen auf beiden Seiten, oft überhängend und den hellen, blauen Himmel oben verschließend, sind nach den Messungen Rawlinsons 700 bis 1000 Fuß hoch. Der Weg hinwärts, hindurch und darüber hinaus ist todt und grimmig felsig, nur mit zahlreichen Ruinen ehemaligen Lebens aus verschiedenen Reichen und Jahrtausenden bestreut. Am Ausgange des großen Schluchtweges hebt sich der Boden und die Kaukasuskette streckt sich in unabsehbare Weiten mit schneebedeckten Häuptern (Demarendspitze) und dem Veramiumthale in der Nähe. Die Höhenausgänge sind nicht zugespitzt, wie in den Alpen, sondern zeichnen sich durch kantige und abrupte Grenzlinien aus, durch todtes Felsengebiet ohne Spur von vegetabilischem oder animalischem Leben. Ein kleiner Fluß mit untrinkbarem Glaubersalzwasser windet sich schlangenartig durch dieses furchtbare Felsenthor.
Das Auge sucht vergebens einen Ausgang, einen Steg, welcher das Steigen erleichtert. Es gehört die ganze Kraft und Geschicklichkeit der Maulthiere dazu, die ganze Geduld und Kaltblütigkeit ihrer Führer, um sich in diese Irrgänge der spitzigsten, schlüpfrigen Felsen zu wagen, welche senkrecht von den schrecklichsten Abgründen durchschnitten und von noch höheren, unzugänglichen Steinmassen überragt werden. In Persien wird nichts gebaut und nichts verbessert, und vergeblich wartet man nach jedem Winter, der neue Unglücksfälle brachte, daß in diesen gefährlichen Passagen Wege gebahnt werden. Um so erstaunlicher ist es daher, mitten in diesen Bergen, auf den gefährlichsten, spitzesten Abhängen die Reiter auf unserm Bild zu erblicken, welche diese gefährlichen Engpässe passiren. Es sind Bakhtiari und Mamaceni, zwei Stämme, welche im Westen von Farsistan und an der Grenze des alten Susiana wohnen und denen auf den sonnverbrannten Zügen ihr alterthümlicher Ursprung geschrieben steht. Groß und kräftig, haben sie eine hohe Stirn, gerade Nase und schwarze lebhafte Augen. Ihre wie Schmelz glänzenden Haare fallen in zwei sorgfältig frisirten Locken über die Schultern. Eine gelbliche Filzmütze, eine eng um die Hüften liegende Tunika, Gamaschen und nicht selten ein langer Mantel, Aba genannt, ist ihre Kleidung. Ein furchtbarer lederner Gürtel mit silbernen, erhabenen Verzierungen enthält große Pistolen, ein Guama oder Dolch, ein Messer und ein ganzes Arsenal von Mordwerkzeugen. Als Reiter verdienen sie das Lob, welches Xenophon schon ihren Voreltern zollte; sie sind, wenn auch unbekannt mit unsern Reitkünsten, eben so elegante wie feste Reiter. Sie schlafen mitten in den gefährlichen Hohlwegen auf den Hälsen ihrer Pferde, und rauchen gemüthlich ihre Pfeife, Gualione genannt, indem sie sich am Wohlgeruche des Rauches ergötzen. Sie machen sich aber auch kein Gewissen daraus, während des Winters in diesen Engpässen die heroischen Räuber zu spielen, und mit den Börsen der unglücklichen Karavanen zu liebäugeln, welche in einsamen Abgründen in ihre Hände fallen.
Das Leben im jetzigen schönen Neapel ist todt und nur im Tode Leben. Wenigstens werden die üblichen, südlich-leidenschaftlichen Klagen am Sarge geliebter Todten noch nicht censirt und verboten. Es ist noch ganz die „conclamatio,“ das offizielle, oft gemiethete und bezahlte Geheul um Todte bei den alten Römern. Sobald ein Licht an Mund und Nase gehalten den Tod eines Menschen bewiesen hat (eine andere Untersuchung gibt es nicht), wird die Leiche angekleidet, mit Lichtern umstellt und das Haus für Jedermann offen gehalten, damit er theilnehmend in das allgemeine Geheul einstimmen könne. Es ist wie bei Hochzeiten, wo auch Jeder (wenigstens auf dem Lande) Zutritt hat, denn das Sprüchwort sagt: „Von einem Hochzeits- und einem Leichenfeste darfst Du Niemand abweisen.“ Auch bei Hochzeiten brennen geweihete Kerzen. So hat man die charakteristischen Ausdrücke für die Ehe: „das Leben zwischen zwei Kerzen.“ Für das Sterben hat man die alte euphemistische Umschreibung: „die Fußsohlen gegen die Thür strecken,“ wie sie schon vor Christi Geburt bei den Römern gewöhnlich war. Seit Jahrtausenden schlief dort Niemand mit den Füßen gegen die Thür, seit Jahrtausenden wurde jeder Leichnam mit den Füßen zuerst hinausgetragen.
Man findet dieselbe Sitte, deren Verletzung unbedingt einen zweiten Todesfall nach sich ziehen würde, auch noch mitten unter deutschen Bauern und Abergläubigen. Unverheirathete Personen werden mit einem Palmenblatte oder Strauße in den gefalteten Händen zur Katakombe, welche das Grab vertritt, getragen, eben so mit einem Kranze um den Kopf, verheirathete mit einem Rosenkränze zwischen den gekreuzten Händen. Auf dem Lande um Neapel sind noch kostbare Leichenprozessionen Mode. Man verkauft, versetzt und borgt so viel man kann, um Gefolge, Kerzen, Priester und Trauernde zu miethen und eine Messe zu bezahlen. So war es schon, mit Ausnahme der christlichen Zuthaten, zu Virgil’s Zeiten, der in der Aeneide eine Leichenprozession ganz eben so schildert. Aber die Beerdigung selbst ist grausenhaft. Besondere Innungen, die Confratelli, haben sie ausschließlich in ihrer Hand. Die Hinterbliebenen eines Verstorbenen schicken zu ihnen. Diese besorgen eine Stelle zum Beerdigen und lassen fragen, ob der Kopf des Todten aufbewahrt werden solle. Im üblichen Bejahungsfalle senden sie einen Karolin und eine Flasche Essig, worauf die Confratelli den Kopf abschneiden, von Haut und Gehirn reinigen, blank poliren und in der Kirche unter die Sammlung aufnehmen, numerirt und mit dem Namen beschrieben. Am „Todtenfeste“ werden einige besonders in gutem Priesterandenken stehende Schädel aus der Sammlung mitten in der Kirche mit Kerzen und Kruzifix ausgestellt und von der andächtigen Menge angestarrt. Reiche Todte werden in Grabgewölbe und sonst in Gräber aufgenommen, die Armen aber in eins der 365 tiefen Felsengrablöcher geworfen. Die arme Leiche wird an die Mündung der Höhle getragen, hier aller, oft geborgten Kleidung beraubt und nackt in eine Lage gebracht, aus der sie mit einem geschickten Stoße hinabgestürzt werden kann. In der tiefen Höhle sind an den Seiten hervorragende Felsen angebracht, welche brechen helfen müssen. Unten liegen Leichen in jeder Art von Verstümmelung und jedem Grade von Verwesung. Ein Stoß: die Leiche knattert nieder, sich im Falle die Knochen zerbrechend und unten morsche Gebeine und Schädel mit lautem, dumpfen Gekrache zerschmetternd.
Das ist eine eigenthümliche Begräbnißart, die unseres Wissens nirgend in der Welt ähnlich praktizirt wird. Andere mit Todtenkultus verbundene Gebräuche sehen menschlicher aus und kommen in verschiedenen Modifikationen auch in andern Ländern vor. Ganz menschlich und natürlich ist die neapolitanische Sitte, den Hinterbliebenen eines Verstorbenen (der nur vierundzwanzig Stunden unbegraben liegen bleiben darf) Speisen und Getränke aus der Nachbarschaft zu schicken, weil man voraussetzt, daß sie in ihrer Trauer nicht an Kochen und Braten denken können und sie auch bis zur Beerdigung nie Feuer im Hause machen. Manche setzen die Enthaltsamkeit von Feuer auch nach der Beerdigung ihrer Familienglieder fort und werden nicht selten auf vierzehn Tage mit Maccaroni, Fleisch und Früchten versehen. Diese Sitte
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_085.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)