Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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Karl Simrock.
„An den Rhein, an den Rhein, zieh’ nicht an den Rhein,
Mein Sohn, ich rathe Dir gut;
Da geht Dir das Leben zu lieblich ein,
Da blüht Dir zu freudig der Muth.
Sieh’st die Mädchen so frank und die Männer so frei,
Als wär’ es ein adlig Geschlecht:
Gleich bist Du mit glühender Seele dabei:
So dünkt es Dich billig und recht.
Und die Schiffe, wie grüßen die Burgen so schön
Und die Stadt mit dem ewigen Dom!
Zu den Bergen, wie klimmst Du zu schwindelnden Höh’n
Und blickst hinab in den Strom.
Und im Strome, da tauchet die Nix aus dem Grund,
Und hast Du ihr Lächeln geseh’n,
Und fang Dir die Lorlei mit bleichem Mund,
Mein Sohn, so ist es gescheh’n:
Dich bezaubert der Laut, Dich bethört der Schein,
Entzücken faßt Dich und Graus.
Nun singst Du mir immer: Am Rhein, am Rhein,
Und kehrst nicht wieder nach Haus.“
Mit dieser „Warnung vor dem Rhein“ hat sich Karl Simrock schon vor Jahren in die Herzen aller Rheinländer eingesungen, und schon seit Jahren ist er dem ganzen deutschen Vaterlande der bedeutendste Schatzgräber im reichen und mächtigen Lager des mittelalterlichen Lieder- und Sagengoldes; der volksthümlichste und feinste Spürer und Sammler nach altdeutscher Sitte, Anschauung, Poesie und Sage; einer der gelehrtesten und gründlichsten Forscher und Interpreten in jenen Richtungen, wie in der deutschen Mythologie, und einer der tüchtigsten, echt rheinisch-deutschen Balladen- und Liederdichter unserer Gegenwart. – Diesen weitgezogenen Kreis voll ausfüllend, in jedem Einzelnen desselben durchaus sicher, ganz wie ein Mann, ist Simrock eine merkwürdige und seltene Erscheinung in unserer Literatur. Der Dichter bei ihm steht auf dem concreten Boden des rührigen, gesunden, frischen Gelehrten, und hat dadurch etwas Tüchtiges, Concises und Dauerbares gewonnen, während der Gelehrte bei ihm seine Gesundheit und Frische dem Poeten verdankt, und daher mit in das Unfruchtbare, Canonische des specifischen Professors gerieth.
So steht er nach beiden Seiten hin gewappnet da; beiden Sphären ein geliebter, hochgeachteter Genosse. – Und wie er in so langem Verkehr mit dem Besten und Urkräftigsten deutschen Volks- und Liederthums sich daraus das echte Mark deutschen Sinnes, deutscher Kraft und ernster Würde gesogen, so aus
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 555. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_555.jpg&oldid=- (Version vom 20.7.2023)