Karl Kraus (Hrsg.): Die Fackel Nr. 333 | |
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muß schwer korrigiert sein; so schwer, daß die Hinausgabe zum unsäglichen Opfer wurde. Nun, da es geschehen, folgen die Tage der Reue. Eine Maschine ist mir über den Kopf gegangen; ich hätte ihr entfliehen können. Wer vom Buchstaben lebt, kann von Buchstaben sterben, ein Versehen oder der Intellekt des Setzers rafft ihn hin. Was ist aber dieser Tod, über den man sich mit der Unvollkommenheit menschlicher Einrichtungen tröstet, was ist ein Betriebsunfall gegen den Schmerz der nachgeborenen Gedanken? Dort nahm der Zufall, was der Zufall gegeben hat; hier wagte er mir etwas vorzuenthalten. Hier rennt jeder Augenblick mit Hiobsposten aus aller Wortwelt an das Unabänderliche. Es sind Binnenkorrekturen, deren Leid sich erst wieder in Lust am nächsten Werk verwandelt, oder sich im Troste beruhigt, daß die menschliche Natur fast so unvollkommen sei wie eine menschliche Einrichtung. Denn es galt ja das Chaos abzubinden und den bewegten Inhalt so zu umfassen, daß er sich bewegend stehe. Wo aber auf dem Weg zur Endgiltigkeit wäre ein Ende? Hat sich das Wort mit der Welt eingelassen, so ist sie unendlich. Zur Welt gekommen, schafft es neue Welten, und das Anbot der Materie, ihr Werben um Erhörung‚ hört nimmer auf. Es heißt einen Strom auf zwei Armen in sein Haus tragen, und der Künstler ist der Zauberlehrling‚ nach dessen Willen die Schöpfung leben soll, seit Gott aus ihr sich doch einmal wegbegeben hat.[WS 1] Ach! und hundert Flüsse stürzen auf mich ein – Ach! Nun wird mir immer bänger! Welche Miene! welche Blicke! – Ach, ich merk’ es! Wehe! Wehe! Hab‘ ich doch das Wort vergessen! ... Vielleicht ist die Kunst, die mit Geistesstärke Wunder tun will, wie sie nur, zu seinem Zwecke, der alte Meister vermag, am Ende die beschämteste unter allen menschlichen Künsten. Vielleicht war solche Überhebung gar nicht Kunst. Aber ob Kunst so hoch sei wie ihr Wahn oder so klein wie ihr Anlaß: sie soll erkannt sein, damit man sie nicht für Zeitvertreib halte. Wie die unausgesetzte Lust des
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Hier und im folgenden: Anspielung auf sowie ungekennzeichnete Zitate aus Johann Wolfgang von Goethes Ballade Der Zauberlehrling
Karl Kraus (Hrsg.): Die Fackel Nr. 333. Die Fackel, Wien 1911, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Fackel_Nr._333.djvu/14&oldid=- (Version vom 14.8.2016)