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Seite:Die Edda (1876).djvu/469

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Anonym: Edda

wollte, erklärt sich vielleicht daraus, daß er, der Str. 14 sundrmœdri, andrer Mutter Sohn, heißt, Gudruns leiblicher mit Jonakur erzeugter Sohn war, während seine Brüder, die sich selbst Str. 25 als sammœdrar, von derselben Mutter geborne, bezeichnen, etwa Jonakurs Kinder erster Ehe waren. Damit stimmt, daß Gudrun ihn nach D. 62 am meisten liebte, und dadurch die Eifersucht der andern Söhne, die sie mit harten Worten zur Rache angetrieben hatte, erregte. Auch sehen wir nun, warum sie ihn Str. 12 unehlich geboren schelten, da sie die zweite Ehe ihres Vaters nicht als rechtmäßig anerkennen mochten. Stammte er aus dessen zweiter Ehe, so war er auch jünger als die beiden andern, vielleicht nicht einmal erwachsen, da er Str. 13 Zwerg gescholten wird, und dieß mochte Gudrun zum Vorwand nehmen, ihn nicht gleichfalls zur Rache Swanhildens anzureizen, obgleich diese seine leibliche Schwester war. Daß er endlich Str. 13 fuchsig gescholten wird, hängt nach Grimms Deutung (Zeitschr. III. 155) mit seinem Namen Erp zusammen, der wie das nordische iarpr rothbraun bedeutet. Die abweichende Farbe seines Haares soll wahrscheinlich wieder anzeigen, daß er anderer Abstammung ist als Sörli und Hamdir. So lange das sundrmœdri Str. 14 nicht beseitigt werden kann, darf man Str. 14 des ersten Liedes nicht entgegensetzen, da dieß von einem spätern Dichter herrührt, der seine Quelle, das Hamdismal, entstellt und wahrscheinlich auch nicht verstanden hat.

Unsere Stelle ist aber auch sonst verderbt überliefert und wir haben sie nach eigener Vermuthung herzustellen versucht. Wörtlich übersetzt würden Str. 12 und 13 lauten:


12
Da sprach Erp   ernsten Sinnes


oder auf ernster Reise; wenn man mit den Handschriften, welchen Munch folgt, liest: einu sinni, so kann es heißen: auf einsamem Wege, denn er scheint schon vorausgeritten,


Der kühn auf dem Rücken   des Rosses scherzte:
„Was frommt es, dem Blöden   die Bahnen zu weisen?“
Sie schalten den Edeln   unehlich geboren.

13
Sie fanden am Wege   den Witzbegabten:

„Was würde der fuchsige   Zwerg uns frommen?“


Die Handschriften legen also dem Erp, eh seine Begegnung gemeldet wird, eine Rede in den Mund, die offenbar seinen Brüdern gehört.

Ebenso fehlt in Str. 14 die Zeile:


Wie eine Hand   der andern hilft,


welche doch die Strophe füllt und durch die folgende Strophe gefordert wird.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 461. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/469&oldid=- (Version vom 31.7.2018)