Anonym: Edda | |
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Das weite Walhall bewohnen fürderhin;
Mit den Göttern trinken den theuern Meth,
Von Sährimnir speisen in Odhins Saal.
Mein Lied erlabt’ euch zum letzten Mal.
Kein Fürst wird hinfort mit der Füße Zweigen
Die hellen Saiten der Harfe schlagen.“
Wir betrachten diese beiden Lieder zusammen nicht nur wegen ihres gemeinschaftlichen Gegenstandes, Gudruns dritte Vermählung, sondern weil sie, wie wir sehen werden, in einer so nahen innern Verbindung stehen, daß das zweite ohne das erste nicht vollständig und dieses zum Theil aus jenem genommen ist.
Die vorletzte Strophe in Atlamal spielt auf diese Lieder vorbereitend an. Brynhilds Weißagung im dritten Sigurdsliede (Str. 53. 60. 61) kennt ihren Inhalt, den auch D. 62 und die Wölsungasaga c. 48–51, wiewohl abweichend und mit Benutzung anderer Quellen, erzählen. In der Skalda 145 und 340 endlich sind Strophen einer Behandlung desselben Gegenstandes in einem Liede Bragi des Alten, also aus dem Ende des achten Jahrhunderts erhalten, und die Skaldensprache hat sich aus dieser Sage mit Ausdrücken bereichert.
Daß sie auch in Deutschland in den ältesten Zeiten bekannt war und von da erst (wie die deutschen Formen den Namen z. B. Erps, der nordisch Jarpr, Jonakurs, der nordisch Onar heißen würde, beweisen) in den Norden gebracht wurde, obwohl jetzt unsere Lieder wohl noch von Jörmunrek und Bicki (Ermenrich und Sibich), aber nicht mehr von Swanhilden und ihren Brüdern wißen, geht aus den Zeugnissen des Jornandes (6tes Jahrh.), der quedlinburgischen Annalen (10tes Jahrh.) und der urspergischen Chronik (reicht bis 1126) unwidersprechlich hervor. Endlich kennt auch Saxo Grammaticus in der zweiten Hälfte des 12. Jahrh. diese Sage, wahrscheinlich aus deutschen Quellen, obgleich mit dem Namen Gudrun.
Indem die Edda Sigurds Wittwe zur Mutter Swanhildens macht, verbindet sie die Siegfriedssage mit der gotischen von Ermenrich, während in den deutschen Liedern diese Verbindung dadurch zu Stande gebracht wird,
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 458. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/466&oldid=- (Version vom 31.7.2018)