Anonym: Edda | |
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Ebenso rök rökra, welches wir mit Nacht und Nebel übertragen haben, obgleich es wörtlich die Finsterniss der Finsternisse bedeutet. Hyndla heißt die Wala (Weißagerin) unseres Liedes, nach welcher es wohl auch den Namen der „kleinen Wöluspa“ führt, wenn dieser Name nicht darauf geht, daß auch hier wie in jenem Gedichte die künftigen Weltgeschicke (Str. 41) verkündet werden. Sie gehört wohl zu den weisen Frauen, die in unserer Mythologie und ältesten Geschichten so bedeutend auftreten. Als Höhlenbewohnerin scheint sie übermenschlicher Natur, etwa riesiger Abkunft. Durch die Gabe der Weißagung ist sie selbst Göttinnen überlegen, wie die Wala der Wegtamskwida dem Gotte; aber auch Zauberkünste sind ihr vertraut, wie der Erinnerungstrank zeigt, den sie am Schluße darreicht.
Der Name Hyndla (canicula, junge Wölfin oder Hündin) muß nicht darauf gedeutet werden, daß sie auf Wölfen reite, wie es von Andern ihres Gleichen wohl berichtet wird. Vgl. jedoch Handb. §. 129.
2. Welcher Hermodr hier neben Sigmund, dem Vater Sigurds, genannt sei, bleibt ungewiss, schwerlich jener, den wir aus D. 49 als Odhins Sohn und Friggs Boten zur Unterwelt kennen, eher jener des Beowulfliedes, Kemble 64. Wie Sigmund das Schwert aus dem Kinderstamm zog, welches Odhin hineingestoßen hatte, ist aus der Wölsungasaga bekannt.
5. Da diese Strophe Hyndla zu sprechen scheint, so kann auch sie nicht dafür zeugen, daß sie auf Wölfen zu reiten pflegte. Den Wolf räth sie vielmehr im Zorn der Freyja an, da ihr Eber träge sei, Götterwege zu treten. Den Eber mit den Goldborsten (Str. 7) pflegt sonst Freyjas Bruder Freyr zu reiten (D. 61); da er Ihr hier beigelegt wird, so bleibt er wenigstens in der Verwandtschaft. Sich selbst legt Hyndla ein Ross bei nach der letzten Langzeile, welcher ich ein „nicht“ eingeschaltet habe, weil ich die ganze Strophe nur als eine heftige Weigerung verstehen kann, sich auf den vorgeschlagenen Ritt nach Walhall einzulaßen. Daß er wirklich nicht vorgenommen wird, ergiebt der Schluß, wo die Scene noch wie Anfangs vor Hyndlas Höhle spielt, welche Freyja mit Flammen umgeben will. Es steht nicht entgegen, daß Freyja Str. 8 sagt: „Laß uns im Sattel sitzen und plaudern,“ denn dieß kann auf sie selbst und ihren Gefährten gehen. Wozu aber Hyndla ihr Ross besteigen sollte, da sie doch den Vorplatz ihrer Höhle nicht verläßt, wüsten wir nicht.
6. 7. Die Schwierigkeiten dieser Strophen laßen sich kaum anders lösen als es die Übersetzung gethan hat. Die erste giebt für die in der vorhergehenden ausgesprochene Weigerung, an dem Ritte zur heiligen
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 417. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/425&oldid=- (Version vom 31.7.2018)