Anonym: Edda | |
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Wesentlichen fällt Fiölswinnsmal mit Skirnisför zusammen, zumal wir dort nachgewiesen haben, daß es in der alten Gestalt dieses Liedes Freyr selbst war, der unter dem Namen Skirnir die Fahrt unternahm. Von dieser einfachen und ursprünglichen Gestalt des Mythus ging der Dichter von Fiölswinnsmal aus, um ihn seinerseits auch wieder mit poetischer Freiheit zu behandeln. Er bietet seine ganze Kunst auf, unsern Scharfsinn mit einem Räthselgeflecht auf die Probe zu stellen, dessen Auflösung zu sein scheint, daß eben Niemand zu Menglada gelangen kann als ihr ersehnter Bräutigam, was uns lebhaft an das rheinische Sprichwort erinnert: wenn der rechte Joseph kommt, so sagt Maria Ja.
Zwischen der Deutung Mengladens auf die Erde und der auf die Sonne, der vom Sonnengott oder dem Frühlingsgott befreit wird, scheint die Wahl gestattet; wenn aber nach Germ. X. 433 ff. Swipdagr der Mond sein soll, der um die Sonne freit, so ist schwer einzusehen, welche natürliche Grundlage ein solcher Mythus haben sollte.
Über die Verwandtschaft dieses Liedes mit dem dänischen Swendalliede vgl. den Schluß unserer Bemerkungen zu Skirnisför.
Die Verschiedenheit der Stände von göttlichem Ursprung herzuleiten, ist die Absicht dieses nicht ganz auf uns gekommenen, für die älteste noch halbgöttliche Heldensage höchst wichtigen Gedichts. Auch sein poetisches Verdienst ist nicht gering, obgleich es seiner Erfindung Eintrag thun könnte, daß die von göttlicher Anordnung abzuleitenden Stände in den drei Paaren, welchen der Gott zu Nachkommenschaft verhilft, schon vorgebildet sind, so daß es seiner Vermittlung gar nicht erst zu bedürfen scheint. Er schafft aber hier nicht die Menschen, die Wöl. 1 seine Kinder heißen, sondern die Ordnungen der Gesellschaft, die früher bloß natürliche Verhältnisse nun zu politischen Ständen werden. Wir finden zugleich in diesen Paaren die drei Stände der Unfreien, Freien und Edeln, die sich bei allen deutschen Stämmen (Tac. Germ. c. 25) nachweisen laßen (im Angels. eorlas, ceorlas, thraelas) so gut aufgefaßt und geschildert, daß wir uns über jenes Bedenken wohl hinwegsetzen dürfen.
Rigr, welchen der prosaische Eingang des Liedes für den Asen Heimdal erklärt, haftet tief in den Ursagen deutscher Völker. Der Name ist aus Iring verkürzt und verdichtet (Myth. 335). Iring kennen wir aus dem Nibelungenliede, wo er im Kampf mit Hagen erliegt. Indem die Wilkinasage, die aus deutschen Liedern schöpft, diesen Kampf berichtet, läßt
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 412. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/420&oldid=- (Version vom 31.7.2018)