Anonym: Edda | |
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gab, nach welcher Freyr der Sonnengott, Gerda aber das Nordlicht sein soll, verfiel in der nähern Ausdeutung der einzelnen Züge, die dafür geltend gemacht wurden, auf Abgeschmacktheiten; was dafür angeführt werden kann, wollen wir nicht verschweigen.
Für Freyrs Beziehung auf die Sonne, wie der Freyja auf den Mond, giebt es in unsern Quellen kein Zeugniss, und wenn er Regen und Sonnenschein verleiht, so ist er damit noch nicht als Sonnengott bezeichnet. Indes läßt sein Sinnbild, der goldborstige Eber, kaum eine andere Deutung zu, und sein Verhältniss zu den Alfen, welches sich daraus ergiebt, daß er Alfheim besitzt (vgl. Gr.-M. 5 mit der Anm.) scheint sie zu bestätigen, so wie unsere Str. 4, wo die Alfenbestralerin die Sonne ist. Endlich mag unser Mythus, wenn Freyr sich auf Hlidskialf setzt, wo nur Odhin sitzen darf, dem griechischen von Phaeton zu vergleichen sein.
Bei Gerda, von deren weißen Armen Luft und Waßer widerstralen, an den Nordschein zu denken, war man veranlaßt, da es ausdrücklich heißt, Freyr habe sie gesehen als er nach Norden blickte.
Wenn man aber annimmt, es solle in unserm Liede ein Liebesbund zwischen Sonne und Nordschein eingegangen werden, so würde eine solche Dichtung nicht aller Wahrheit ermangeln, da beide an dem Lichte ein Gemeinschaftliches haben. Auch ließen sich die ihrer Verbindung nach Str. 7. 20 entgegenstehenden Hindernisse wohl darin nachweisen, daß es der Ordnung der Natur widerstreitet, wenn Sonne und Nordschein zugleich am Himmel sichtbar wären. Aber die Unzulänglichkeit der ganzen Anlegung ergiebt sich auch sofort daraus, daß diese Hindernisse ihrer Natur nach nicht gehoben werden können, mithin die Verbindung der Liebenden unmöglich und der Schluß des Gedichts unerklärt bliebe.
Überdieß geht weder Freyrs noch Gerdas Wesen in jener Deutung vollständig auf. Freyr müßen wir, ohne seinen Bezug auf die Sonne ganz aufzugeben, doch allgemeiner, als Gott der Fruchtbarkeit, auffaßen, wenn wir die eilf Äpfel Str. 19 und den Ring Draupnir, von dem jede neunte Nacht acht eben so schwere träufeln, Str. 21 (D. 49. 61) richtig verstehen wollen. Was nun Gerda belangt, so erscheint sie uns zuerst nur als eine Riesentochter. Ihr Vater ist Gymir, D. 37 vgl. Str. 12. 22. 24, ein Name, den nach Ögisdrecka auch der Meergott Ögir führt. Ihr Bruder Beli kann der Brüllende heißen und auf den Sturmwind gedeutet werden. Wenn ihn Freyr erlegt, so passt dieß auf den milden Gott der Fruchtbarkeit und Wärme, bei dessen Nahen die Winterstürme sich legen. In dieser Verwandtschaft Gerdas, durch welche sie den ungebändigten Naturkräften
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 403. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/411&oldid=- (Version vom 31.7.2018)