Anonym: Edda | |
|
hinzu, faßte sie mit der Hand mitten unterm Bauche und lupfte an ihr, und die Katze krümmte den Rücken, indem Thor an ihr hob, und als Thor sie so hoch emporzog als er immer vermochte, ließ die Katze mit dem einen Fuß von der Erde: weiter brachte es Thor nicht in diesem Spiel. Da sprach Utgardloki: Es ging mit diesem Spiel wie ich erwartete: die Katze ist ziemlich groß und Thor klein und kurz neben den großen Männern, die hier bei uns sind. Da sprach Thor: So klein ihr mich nennt, so komme nun her wer da wolle und ringe mit mir: nun bin ich zornig. Da antwortete Utgardloki, indem er nach den Bänken sah, und sprach: Mit Nichten seh ich den Mann hier innen, den es nicht ein Kinderspiel dünken würde mit dir zu ringen. Aber laßt sehen, fuhr er fort, die alte Frau ruft mir herbei, meine Amme Elli: mit der mag Thor ringen wenn er will. Sie hat schon Männer niedergeworfen, die mir nicht schwächer schienen als Thor ist. Alsbald kam eine alte Frau in die Halle: zu der sprach Utgardloki, sie solle sich mit Asathor meßen. Wir wollen den Bericht nicht längen; der Kampf lief so ab: je stärker sich Thor anstrengte, je fester stand sie. Nun fing die Frau an, ihm ein Bein zu stellen, Thor ward mit Einem Fuße los und ein harter Kampf folgte; aber nicht lange währte es, so war Thor auf ein Knie gefallen. Da ging Utgardloki hinzu und gebot ihnen, den Kampf einzustellen. Er fügte hinzu: Thor habe nun nicht nöthig, noch andere an seinem Hof zum Kampf zu fordern. Es war auch bald Nacht. Da wies Utgardloki den Thor und seine Gefährten zu den Sitzen, und brachten sie da die Nacht bei guter Aufnahme zu.
47. Am Morgen darauf, als es Tag wurde, stand Thor auf mit seinen Gefährten, sie kleideten sich und waren bereit, fortzuziehen. Da kam Utgardloki, und ließ ihnen einen Tisch vorsetzen; es fehlte nicht an guter Bewirthung, Speis und Trank. Und als sie gegeßen hatten, beeilten sie ihre Fahrt. Utgardloki begleitete sie hinaus bis vor die Burg und beim Abschied sprach er zu Thor und fragte, wie er mit seiner Reise zufrieden sei und ob er einen Mächtigern denn er selber sei getroffen habe. Thor antwortete, er könne nicht sagen, daß die Begegnung mit ihnen nicht sehr zu seiner Unehre gereicht habe, „aber wohl weiß ich, daß ihr mich für einen gar unbedeutenden Mann halten werdet, womit ich übel zufrieden bin.“ Da sprach Utgardloki: Nun will ich dir die Wahrheit sagen, da du wieder aus der Burg gekommen bist, in die du, so lang ich lebe und zu befehlen habe, nicht noch öfter kommen sollst. Und ich weiß auch wahrlich, daß du niemals hinein gekommen wärest, wenn ich vorher gewust hätte, daß du so große Kraft besäßest, womit du uns beinahe in großes Unglück gebracht
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 283. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/291&oldid=- (Version vom 31.7.2018)