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Seite:Die Edda (1876).djvu/248

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Anonym: Edda

36. Gudhrûnarhvöt.
Gudruns Aufreizung.

Da ging Gudrun ans Meer, nachdem sie Atli getödtet hatte. Sie ging in die See, sich umzubringen, mochte aber nicht versinken. Da ward sie von den Fluten über den Sund getragen an das Land König Jonakurs. Der nahm sie zur Ehe. Ihre Söhne waren Sörli, Erp und Hamdir. Dort wurde Swanhild, Sigurds Tochter, erzogen und Jörmunrek dem reichen zur Ehe gegeben. Bei dem war Bicki: der gab den Rath, daß Randwer, des Königs Sohn, sie zur Ehe nähme. Das verrieth Bicki dem Könige. Da ließ der König Randwern henken und Swanhilden von Pferden zertreten. Als Gudrun dieß hörte, sprach sie den Söhnen zu.


1
Nie hört ich Worte   so herzzerschneidend,

Aus tödlicher Tauer   emporgetragen,
Als da die grimme   Gudrun die Söhne
Zur Rache reizte   mit der Rede Schärfe:

2
„Was sitzt ihr säumig,   verschlaft das Leben?

Wie freut euch fürder   noch frohes Gespräch,
Da Jörmunrek   die blühend junge
Von Pferden zerstampfen ließ,   eure Schwester,
Auf offenem Wege   von weißen und schwarzen,
Grauen, gangzahmen   gotischen Rossen.

3
„Sehr ungleich seht ihr   Gunnars Geschlechte,

Nicht hohes Herzens   wie Högni war.
Ihr würdet ihr, wähn ich,   nicht weigern die Rache,
Hättet ihr Muth   wie meine Brüder
Und hunnischer Herscher   herben Sinn.“

4
Da hub Hamdir an   aus hohem Muth:

„Läßiger warst du wohl   Högni zu loben,
Als er Sigurden   vom Schlaf erweckte.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/248&oldid=- (Version vom 31.7.2018)