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Seite:Die Edda (1876).djvu/243

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Anonym: Edda

Gudrun.
65
Nun freust du dich, Atli,   ihren Fall zu berichten.

Doch übel gereut dich,   wenn du Alles weist.
Was sie dir vermachten,   ich meld es dir jetzt:
Stäte Besorgniss;   ich sterbe denn auch.


Atli.
66
Dem werd ich wehren,   ich weiß andern Rath,

Noch halbmal hülfreichern;   unser Heil verschmähn wir oft.
Mit Mägden tröst ich dich   und manchem Kleinod,
Schneeweißem Silber   wie du selbst es wählst.


Gudrun.
67
„Das wähne nimmer:   ich sage Nein dazu.

Sühne verschmäht’ ich   eh Solches erging.
Galt ich für grimmig,   nun bin ich es gar;
Den Harm verhehlt’ ich   dieweil Högni lebte.

68
„Uns zogen sie auf   in Einem Hause,

Viel Spiele zusammen   spielten wir im Walde.
Grimhild gab uns   Gold und Halsschmuck.
Du magst mir nicht büßen   meiner Brüder Mord:
Was du thust und läßest,   leid ist mir Alles.

69
„Doch der Frauen Willen wandelt   der Männer Gewalt.

Die Krone verdirbt,   wenn die Zweige dorren;
Wenn der Bast gebricht   geht der Baum zu Grunde:
Du allein magst, Atli,   aller Dinge nun walten.“

70
Aus argem Unverstand   schenkt’ ihr Atli Vertrauen;

Offen war die Arglist,   hätt er geachtet drauf.
Schlau hehlte Gudrun   des Herzens Meinung;
Leichtsinnig schien sie   auf zwei Schultern zu tragen.

71
Ein Gelage ließ sie rüsten   zum Leichenschmaus der Brüder

Atli wollte auch   seine Todten ehren.

72
Sie ließen die Rede,   das Gelage zu beschicken,

Daß Füll und Überfluß   bei der Feier war.
Streng war die Stolze   den Entstammten Budlis:
Gegen den Gatten   sann sie grause Rache.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/243&oldid=- (Version vom 31.7.2018)