Schon vor vielen Jahren trat mir in Italien bei der Betrachtung alter und neuer Kunst immer entschiedener der Gedanke entgegen, daß hinter der formellen Bildung eines bestimmten Kunstwerkes die Seele der Weltgeschichte in dem Künstler thätig gewesen ist, durch ihn in seinen Werken bestimmte Höhenpuncte ihrer Entwickelung zur Erscheinung gebracht und so in der Reihe der aufeinanderfolgenden Kunstwerke ihre Jahrbücher in Bilderschrift dictirt hat. Diese Betrachtungen konnte ich später jahrelang auf der Dresdener Galerie fortsetzen. Es war dabei zuerst nur auf meine eigene Belehrung abgesehen. Als ich jedoch im vorigen Sommer meine Freunde aus Oldenburg, Baron Ferdinand von Gall und Dr. Adolf Stahr, auf die Galerie begleitete und ihnen bei verschiedenen Gemälden meine Bemerkungen mittheilte, machten sie mir es zur Pflicht, sie dem größeren Publicum nicht vorzuenthalten. So entstand
Julius Mosen: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Arnoldische Buchhandlung, Dresden und Leipzig 1844, Seite IX. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Dresdener_Gem%C3%A4lde-Galerie_(Mosen).pdf/9&oldid=- (Version vom 31.7.2018)