hat. Sie wird die Schrift in dieser Entfernung kaum erkennen, sie braucht aber doch wenigstens nicht das sündhafte Weib anzusehen.
Dagegen starrt der heilige Joseph mit dem tiefsten Ingrimme und herzlichster Verachtung die Herzogin an.
Wie im vorigen Bilde: die Gesegnete! nichts als Erhörung der frommen Demuth, so hier nur Verwerfung der heuchelnden Sünde.
Wie ist es möglich, kann man fragen, daß der Künstler ein bestelltes Portraitbild so auffassen und darstellen konnte?
Tizian konnte, wie jeder große Meister, in seinen besten Gemälden nur seine Gemüthsstimmung, welche ihm der Gegenstand einflöste, zur Darstellung bringen. Diese Gemüthsstimmung zu verstehen, ist nicht die Sache vieler, am allerwenigsten der im äußerlichen Scheinleben befangenen Menschen. Alphons wird ihm das Portraitgemälde bezahlt haben, ohne sich dabei weiter Etwas zu denken; doch wird es weder ihn noch seine Lucrezia bezaubert haben, ohne daß sie sich des Grundes davon bewußt gewesen sein möchten.
Auf weißem Lager ruht die schöne Gestalt der Venus im Schatten eines rothen Vorhanges. Zu ihren Füßen an der Brüstung des Altans, mit dem Rücken ihr und uns zugekehrt, sitzt ein junger Cavalier.
Julius Mosen: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Arnoldische Buchhandlung, Dresden und Leipzig 1844, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Dresdener_Gem%C3%A4lde-Galerie_(Mosen).pdf/48&oldid=- (Version vom 31.7.2018)