Tracht, den breitkrämpigen Hut auf dem blonden Kopfe. Er steht an eine Säule gelehnt, seine linke Hand über den Nacken seines jüngeren Bruders gelegt, während er seine Rechte mit einem Buche in die Seite stemmt. Der jüngere ist das Muttersöhnchen. Er schimmert in bunten Farben wie der Stieglitz, den er mit der linken Hand am Fädchen hält und flattern läßt, während er mit einer Kinderklapper in der Rechten aufscheuchenden Lärm macht. Auf jeden Fall ist diese Situation in Dresden anstößig, wo der Verein gegen die Thierquälerei das öffentliche Interesse in Anspruch nimmt.
Man sieht es jedoch diesem Bilde an, daß die Vaterliebe dabei den Pinsel geführt hat. Es sind in Farben auf der Leinwand festgehaltene Spiegelbilder beider Knaben, nur im verklärten Durchschein des Blutes. Ihre Augen scheinen zu sehen, ihre Lippen zu reden.
So glänzend und reich das Leben des Malers war, so ist es in seinen Gemälden in Farben festgebannt. Diese bleiben ewig jung, er nur konnte nicht dem Alter und den Gewissensbissen des Podagra entrinnen, welches sich vorgenommen hatte, die süßen Scenen im Liebesgarten und die herzerfreuenden Gelage bei dem Becher, welchen die schönste Nymphe kredenzte, ihn bis auf den Tod abbüßen zu lassen.
Julius Mosen: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Arnoldische Buchhandlung, Dresden und Leipzig 1844, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Dresdener_Gem%C3%A4lde-Galerie_(Mosen).pdf/104&oldid=- (Version vom 31.7.2018)