Friedrich Blass (Übersetzer): Die Sibyllinen | |
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356 O du üppige, goldreiche Jungfrau, Tochter des latinischen Roms, 357 oftmals ’wirst du‘[1] bei deiner vielumfreiten Hochzeit 358 ’als‘[2] weinberauschte Dienerin nicht nach Gebühr vermählt werden; 359 oftmals wird dein üppiges Haar die Herrin abscheren, 360 und sie wird, das Recht verwaltend, das am Himmel zur Erde 361 werfen und von der Erde wieder zum Himmel emporrichten, 362 weil die Menschen des schlechten und ungerechten Lebens schuldig waren (?).
363 Es wird auch Samos Sand sein, Delos unsichtbar 364 und Rom eine Gasse[3]; die Orakel erfüllen sich alle. 365 Von Smyrnas Untergang wird keine Rede widerrechtlich (?) sein, 366 sondern durch schlechten Rat und Schlechtigkeit der Führer ...[4].
367 Heitere Ruhe wird ’in das Land Asien‘[5] kommen. 368 Europa wird dann glückselig sein, nährend der Himmel, 369 viele Jahre [und] Gesundheit gebend, ohne Stürme und ohne Hagel, 370 alles bringend, sowohl Vögel als kriechende Tiere der Erde. 371 O glückselig der Mann oder die Frau, wer zu jener Zeit sein wird, 372 so sehr wie der in den Fabeln gepriesene Wohnsitz (?) der Seligen. 373 Denn alle Gesetzlichkeit und Gerechtigkeit wird vom gestirnten im Himmel 374 zu den Menschen kommen und mit ihr 375 die für die Sterblichen alles übertreffende besonnene Eintracht 376 und Liebe, Treue, Gastlichkeit. ’Weichen wird‘[6] von ihnen 377 Gesetzlosigkeit, mißgünstiger Tadel, Neid, Zorn, Thorheit; 378 fliehen wird von den Menschen die Armut und fliehen die Not 379 und Mord und verderblicher Streit und trauriger Zank 380 und nächtlicher Diebstahl und alles Schlechte in jenen Tagen.
381 Aber Makedonien wird ein schweres Leid für Asien gebären, 382 und aus Europa wird ein großer Schmerz emporsprießen, 383 aus dem Geschlechte des Kroniden[7], unecht und von dem Geschlechte ’von Sklaven‘[8]. 384 Jenes [Makedonien?] wird auch die feste Stadt Babylon ’verderben‘[9], 385 und sie, die über alles Land, welches von der Sonne beschaut wird, 386 Herrin genannt war, wird in bösem Unheil untergehen, 387 nicht das Gesetz (?) habend für die vielumhergetriebenen Spätgeborenen.
388 Es wird auch einstmals ’unversehens‘[10] kommen auf den glücklichen Boden ’von Asien‘[11] 389 ein Mann, mit purpurnem Gewand um die Schultern gekleidet, 390 wild, ein anderes Recht habend, flammend. Es erweckte ’aber‘[12] 391 vorher ’diesen‘[13] Mann der Blitzstrahl; ein böses Joch wird ganz Asien tragen 392 und viel Mordblut die benetzte Erde trinken. 393 Aber dennoch wird zu völliger Vernichtung ...[14]. 394 Deren Geschlecht er selbst vertilgen will, 395 durch deren Geschlecht wird sein Geschlecht vertilgt werden; 396 eine Wurzel ....[15], welche der Menschenmörder abhauen wird, 397 aus zehn Hörnern; daneben wird er eine andere Pflanze pflanzen. 398 Abhauen wird er den kriegerischen Erzeuger des purpurnen Geschlechts[16], 399 und er selbst wird von den Söhnen ...[17] 400 zu Grunde gehen, und dann wird das nebenaufschießende Horn regieren. 401 Es wird auch dem nahrunggebenden Phrygien alsbald ein Zeichen sein, 402 wenn der Rhea schändliches Geschlecht, in der ’hehren‘[18] Erde 403 immerdar mit nie dürstenden Wurzeln grünend, 404 von Grund aus vernichtet wird in einer Nacht, 405 in der Stadt des den Boden bewegenden ’Erderschütterers‘[19], samt ihren Männern, 406 welche
- ↑ Opsop.; Hdschr. „wird die“.
- ↑ Opsop.; Hdschr. „wird die“.
- ↑ Wortspiele (Σάμος - ἄμμος, Δῆλος - ἄδηλος, Ῥώμη – ῥύμη).
- ↑ Scheint lückenhaft.
- ↑ Ludwich; Hdschr. „in Asien [auf] die Erde“.
- ↑ Rzach; Hdschr. sinnlos.
- ↑ Alexander d. Gr., der sich Sohn des Zeus Amman nennen ließ. Vgl. Einl. S. 182.
- ↑ Alex.; Hdschr. δοῦλον wie νόθον.
- ↑ Konj. Nach XI,201; Hdschr. „wird gebaut werden (worden sein)“
- ↑ Alex.; Hdschr. „unglaublich aus Asien [auf] den glücklichen Boden“.
- ↑ Siehe letzte Anmerkung.
- ↑ Rzach; Hdschr. „denn es — ihn den Mann“.
- ↑ Siehe letzte Anmerkung.
- ↑ Hdschr. „alles Hades pflegen“.
- ↑ Hdschr. „gebend“ (Maskul.).
- ↑ Rzach nach XI, 250 „der purpurne Sohn (?) den kriegerischen Erzeuger.“
- ↑ Ganz verdorben; XI, 251 steht: „und er selbst wird durch den Sohn, bevor er eine andere Pflanze pflanzt (vgl. hier 397) zu Grunde gehen“.
- ↑ Alex.; Hdschr. „in der Erde der Strom“.
- ↑ Castalio nach I,187: Hdschr. sinnlos.
Friedrich Blass (Übersetzer): Die Sibyllinen. Tübingen: Mohr Siebeck, 1900, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DieSibyllinenGermanBlassKautzsch2.djvu/16&oldid=- (Version vom 31.7.2018)