Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2 | |
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Nachwuchses und des genossenschaftlichen Zusammenschlusses. Zur wirksamen Durchführung der in dieser Richtung geplanten Reformen sind Zentralstellen für Gewerbe und Handel, sog. Landesgewerbeämter, eingerichtet worden. Hessen, Württemberg und Baden haben diese Einrichtung schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, Preußen – wie schon erwähnt – seit 1905, Bayern seit 1907. Das Landesgewerbeamt in Preußen wurde durch Verordnung vom 20. März 1905 im Ministerium für Handel und Gewerbe für die Zwecke der Gewerbeförderung errichtet. Es hat die Aufgabe, an der Überwachung der zur Gewerbeförderung dienlichen Einrichtungen teilzunehmen und nach den verschiedensten Richtungen fördernd, beratend und unterstützend, wie es gerade die individuellen und örtlichen Bedürfnisse verlangen, einzugreifen. Es ist ihm ein ständiger Beirat angegliedert, der sich u. a. aus Landtagsabgeordneten, Vertretern von Gemeinden, Handwerkskammern und Handelskammern, Regierungs- und Gewerberäten, Direktoren von Fortbildungsschulen zusammensetzt und den Minister für Handel und Gewerbe von den Ansichten und Bestrebungen der Gewerbetreibenden unterrichten soll. Die staatliche Gewerbeförderung umfaßt im einzelnen die Förderung des Fortbildungs- und Fachschulwesens sowie die Einrichtung von Meisterkursen, die Förderung der Technik im Gewerbe durch Erleichterung der Anwendung von Maschinen aller Art und erprobter Arbeitsweisen, die Förderung des gewerblichen Ausstellungswesens und des gewerblichen Genossenschaftswesens. Bis jetzt sind vier ausführliche Verwaltungsberichte des preußischen Landesgewerbeamts erschienen. Der letzte (von 1912) kann von einer stetigen Entwicklung des gewerblichen Unterrichts Kenntnis geben; näheres siehe im VIII. Buch, Abschnitt 6: „Fach- und Fortbildungsschulen“. Unter dem Titel „Gewerbeförderung“ werden Meisterkurse, Gewerbeförderungsanstalten, Ausstellungen von Lehrlingsarbeiten und Untersuchung der Gesellenprüfungen behandelt. „Große Meisterkurse“, die mit Unterstützung des Staates veranstaltet werden und großenteils 8 Wochen dauern, wurden 1909 und 1910 abgehalten in Hannover, Posen, Köln, Gumbinnen, Dortmund, Magdeburg, Breslau und Stettin, zu denen 1912 noch Frankfurt a. M. getreten ist; der Unterricht erstreckt sich auf Fachtheorie, Zeichnen und praktische Arbeiten in neuzeitlich eingerichteten Werkstätten. Es beteiligten sich 1909 und 1910 daran in 162 Kursen 544 Meister und 1000 Gesellen. Der anfängliche Hauptzweck der „großen Meisterkurse“ war, selbständigen Handwerkern, die während ihrer Lehr- und Gesellenzeit keine Möglichkeit zu besserer fachlicher und theoretischer Ausbildung gehabt hatten, einen Ersatz dafür zu gewähren, was der heutige handwerkliche Nachwuchs an Fachschulen und gewerblichen Fortbildungsschulen lernen kann. Dieser Hauptzweck hat sich in dem abgelaufenen Jahrzehnt verschoben, indem die selbständigen Handwerker nur einen verhältnismäßig geringen Teil der Besucher bilden, während die Mehrzahl Gesellen sind, die zum Teil vor ihrer Selbständigmachung stehen. Dieselbe Erscheinung zeigt sich in den „kleinen Meisterkursen“, deren in 1909 und 1910 von Handwerkskammern und Innungen 1210 mit einer Teilnehmerzahl von 6418 Meistern und 11 821 Gesellen (außer sonstigen Personen) abgehalten wurden; dazu kommen noch 70 Meisterkurse an Fachschulen (für ältere Handwerker), die von 351 Meistern und 501 Gesellen besucht wurden. Gewerbeförderungsanstalten bestehen in Preußen nur 3, nämlich die Gewerbehalle
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 806. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/369&oldid=- (Version vom 20.8.2021)