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Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 2.pdf/348

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5 Jahre selbständig persönlich oder als Werkmeister ausgeübt haben; wer am 1. April 1901 schon 17 Jahre alt war, darf Lehrlinge anleiten, wenn er eine zweijährige Lehrzeit zurückgelegt hat und 24 Jahre alt ist. Es folgen dann Vorschriften über Lehrvertrag, Zahl der Lehrlinge, Lehrzeit, die in der Regel 3 Jahre dauern und den Zeitraum von 4 Jahren nicht übersteigen darf, und besonders eingehend über die Gesellenprüfung, zu der den Lehrlingen nach Ablauf der Lehrzeit Gelegenheit zu geben ist und zu deren Ablegung die Innung und der Lehrherr den Lehrling anhalten sollen; die Abnahme der Prüfung erfolgt durch Prüfungsausschüsse.

Meistertitel.

Endlich befaßt sich unser Gesetz mit dem Meistertitel und schreibt vor, daß nur solche Handwerker den Meistertitel in Verbindung mit der Bezeichnung eines Handwerks („Schlossermeister“, „Schlosser . . . ., Meister“ usw.) führen dürfen, die in ihrem Gewerbe die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen erworben und die Meisterprüfung bestanden haben. Zu dieser Prüfung sind sie in der Regel nur zuzulassen, wenn sie mindestens 3 Jahre als Geselle in ihrem Gewerbe tätig gewesen sind. Die Abnahme der Prüfung erfolgt durch Prüfungskommissionen. Aus den Übergangsbestimmungen ist noch besonders wichtig: Wer beim Inkrafttreten dieser Bestimmungen persönlich ein Handwerk selbständig ausübt, ist befugt, den Meistertitel zu führen, wenn er in diesem Gewerbe die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen besitzt. Dieser Tag war der 1. Oktober 1901. Wer also an diesem Tage 1. persönlich ein Handwerk selbständig ausübte, 2. das 24. Lebensjahr vollendet hatte, 3. die vorgeschriebene Lehrzeit in dem betreffenden Gewerbe zurückgelegt und die Gesellenprüfung bestanden hatte, oder mindestens 5 Jahre lang (also seit dem 1. Oktober 1896) das Handwerk persönlich und selbständig ausgeübt hatte oder ebensolange als Werkmeister oder in ähnlicher Stellung tätig gewesen war, oder am 1. April 1901 schon 17 Jahre alt war und zweijährige Lehrzeit zurückgelegt hatte, der darf ohne abgelegte Meisterprüfung den Meistertitel in seinem Handwerk führen. –

Wirkungen des Handwerkergesetzes.

Auf Veranlassung des Reichstags fand 1905 durch die Regierung des Deutschen Reiches eine allgemeine statistische Erhebung statt, um die Wirkungen des Handwerkergesetzes klarzustellen. Es handelte sich dabei nicht lediglich um die zahlenmäßige Ermittlung der im Reiche bestehenden freien Innungen, Zwangsinnungen, Innungsausschüsse und Innungsverbände, sowie der Mitglieder dieser Organisationen, sondern es sollte auch ein Überblick darüber geschaffen werden, in welchem Umfange die genannten Organisationen versucht haben, ihre gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen, welche besonderen Einrichtungen sie hierfür getroffen haben und welche Aufwendungen dafür gemacht worden sind.

Wie viele Innungen vor Erlaß des Handwerkergesetzes vorhanden waren, steht nicht sicher fest, wahrscheinlich nicht mehr als 8398. Auch die Mitgliederzahl ist nicht genau bekannt; man berechnet ihre Zahl für 1891 auf rund 320 000, die etwa ⅓ aller selbständigen Handwerker ausmachen. Innungskrankenkassen sollen 1895 im ganzen 545 mit mehr als 100 000 Mitgliedern vorhanden gewesen sein, Innungsschiedsgerichte 1896 einige Hundert. Die Innungsausschüsse waren in Preußen 1896 auf 139 herabgesunken.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 785. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/348&oldid=- (Version vom 20.8.2021)