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Seite:Deutsche als Franktireure im Jahre 1870.pdf/4

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Walther Kabel: Deutsche als Franktireure im Jahre 1870 (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 3)

Von einer Szene aus einem Waldgefecht in der Nähe von Chartres berichtet der bayrische Rittmeister v. Bolten in seinen Kriegserinnerungen, wie folgt: „Die von mir geführte Streifwache hatte gerade eine dicht mit Nadelholz bestandene Schlucht passiert, als wir plötzlich von rückwärts Feuer erhielten. Zwei meiner Leute sanken sofort schwer getroffen von ihren Pferden. Eine Stunde später hatten wir uns, in Deckung hinter Bäumen liegend, vollständig verschossen. Die fünf Mann, die noch kampffähig waren, hatten jeder nur noch eine Patrone im Lauf. Die Franktireure, die uns wie mordgierige Wölfe im Kreise umzingelt hatten, merkten bald an dem Verstummen unserer Karabiner, wie es um uns stand. Schon wollte ich den Befehl: ‚Auf – marsch – marsch!‘ geben, um einen Durchbruch zu versuchen, als plötzlich hinter einer starken, kaum hundert Schritte entfernten Eiche eine Stimme in gutem Deutsch herüberrief: ‚Ergebt euch! Es wird euch nichts geschehen!‘ Und gleich darauf ertönte von der anderen Seite des feindlichen Ringes in ebenso tadellosem Deutsch eine ähnliche Aufforderung. Um Zeit zu gewinnen, ließ ich mich mit dem ersten Sprecher auf eine Unterhandlung ein. Ich verlangte freien Abzug mit allen Waffen. Darauf erwiderte der Mann hinter der Eiche: ‚Das ist unmöglich. Auf die Forderung geht der Offizier unserer Abteilung nicht ein. Herr Leutnant können mir aber glauben, Ihnen wird kein Leid zugefügt werden.‘

‚Sie sind Deutscher?‘ fragte ich.

Die Antwort blieb aus, und gleich darauf machten die Franktireure einen neuen Angriff, bei dem ich durch einen Streifschuß an der Stirn niedergestreckt wurde. Als ich erwachte, lag ich auf einem Heulager in einer Scheune.

In der Nacht brachte mich dann derselbe Deutsche, der mit mir gesprochen hatte, heimlich auf den Weg nach Chartres. Beim Abschied drückte er mir ein mit Kognak gefülltes Fläschchen in die Hand. Seinen Namen zu nennen weigerte er sich. Auf meine Frage, ob denn viele Deutsche bei der Franktireurabteilung gewesen seien, sagte er kurz: ‚Sechs im ganzen‘ und verschwand in der Dunkelheit. Ich fürchte sehr, daß meine Rettung dem Manne das Leben gekostet hat, da der Verdacht,

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Deutsche als Franktireure im Jahre 1870 (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 3). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1915, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_als_Franktireure_im_Jahre_1870.pdf/4&oldid=- (Version vom 31.7.2018)