langen schwarzen Schleier, um ihre schönen Hände und kostbaren Ringe wieder einmal zu zeigen.
„Entschuldigen Sie, gnädige Frau, - das glaube ich Ihnen nicht recht“, meinte Harald mit fataler Offenheit … „Ich bin nun einmal ein Mensch, der seine Mitmenschen sehr bald durchschaut. Ich behaupte, Sie haben einen ganz bestimmten Verdacht gegen eine Person, die in den Zeitungsartikeln ebenfalls erwähnt wurde, natürlich mit der nötigen Vorsicht … In dieser Hinsicht sind die Reporter modernste Diplomaten: Alles andeuten, aber nichts Bestimmtes verlauten lassen! Kitzel für die Leser … Jeder mag sich das Gedruckte auslegen, wie er will ..!“
Der Hieb saß. Die Frau verlor die Maske für Sekunden, errötete tief und schaute zur Seite.
Harald lächelte unmerklich.
„Ich will ehrlicher sein wie Sie … Ich denke an Doktor Gerbert“, fügte er rücksichtslos hinzu. „Gerbert ist ständiger Gast in Ihrer Villa, und gewisse Blätter haben dies weidlich ausgeschlachtet.“
Die Dame ließ den schwarzen Schleier fallen.
Sehr praktisch …
Ihr einziges Kind lebte noch, lag schwer verletzt in einer Klinik, und die Tante, die dort vor kurzem in Zinnowitz gestorben, rechtfertigte diese düstere Tracht erst recht nicht.
Frau Lüning beschränkte sich auf vieldeutige, sehr theatralische Handbewegungen. Die Stimmung wurde dadurch noch ungemütlicher. Weshalb verabschiedete die Dame sich nicht? Wir hatten ihr nichts mehr zu sagen.
Sie blieb …
Merkwürdig genug, sie wurde immer nervöser. Und dann warf sie all diese lächerlichen Mätzchen urplötzlich ab und wurde Mensch, Weib, gequältes Wesen.
„Herr Harst, ich ertrage das nicht länger … Sie lassen Doktor Gerbert beobachten ..! Um Gotteswillen, sagen Sie
Max Schraut: Der weiße Maulwurf. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1932, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_wei%C3%9Fe_Maulwurf.pdf/7&oldid=- (Version vom 31.7.2018)