Truppen und durch die Kurden, in deren Mitte wir wohnen, überfallen. Unsere Lage verschlimmerte sich noch mehr, als Chalil Bey nach seinen Niederlagen in Salmas und im Urmiagebiet sich im April des Jahres mit seiner geschlagenen Armee durch unsere Täler zurückzog. Ende Mai brachen türkische Truppen aus Mosul, in unser Gebiet ein. Mit dieser Zeit begannen die offiziellen Massakers und Verwüstungen in unseren Dörfern. Unser Volk verließ die Weideplätze und zog sich in das Hochgebirge von Betaschin zurück, wo es jetzt eingeschlossen ist. Die Lebensmittel drohen ihnen auszugehen, und es herrschen Epidemien. Es bleibt ihnen nur noch die Hoffnung, durchzubrechen, und über die persische Grenze zu fliehen.“
Wie die „Frankfurter Zeitung“ unter dem 4. 2. 1916 berichtet, ist der Patriarch nach Tiflis gekommen, und hat dort den Exarchen von Georgien, der dem russischen Synod unterstellt ist, gebeten, für ihn eine Erlaubnis zur Reise nach St. Petersburg auszuwirken. Die Reise soll bezwecken, eine Vereinigung der syrisch-nestorianischen Kirche mit der russisch-orthodoxen herbeizuführen. Nach der Behandlung, die den christlichen Kirchen in der Türkei seit der Erklärung des Dschihad zuteil geworden ist, hat dieser Entschluß nichts Verwunderliches. Die türkische Regierung treibt mit Gewalt Armenier und Syrer in die Arme Rußlands.
Ein Bild von dem Schicksal der Flüchtlinge gibt der folgende
(Schreiber dieses Briefes ist der Lehrer Parunag Ter Harutunian aus Wan, Adressatin Frl. Kohareg Bedrosian.)
Wagharschabad, den 27. August 1915.
Du wirst wohl aus den Zeitungen von der völligen Zerstörung von Wan gehört haben. Mitte April äscherten
Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/145&oldid=- (Version vom 31.7.2018)