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Seite:Der Todesgang des armenischen Volkes.pdf/129

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unser Grundstück, eine auf das Dach von Miß Rogers und Miß Sillimans Haus, wobei sie ein großes Loch machte. Zwei andere bewirkten dasselbe auf den Dächern der Knaben- und Mädchenschule. Am Sonntag morgen begann das Bombardement von neuem. 26 Bomben fielen schon am Vormittag auf unser Grundstück, am Nachmittag weitere 10, die entweder niederfielen, oder in der Luft explodierten. Das Pfeifen der Schrapnells war ein Laut, den man nie wieder vergißt. Eine Granate explodierte in einem Zimmer von Mrs. Raynolds Haus und tötete ein kleines Kind. Eine andere Granate schlug durch die äußere Mauer von Miß Knapps Zimmer in Dr. Ushers Haus, explodierte, und dabei drangen die Hülsen und die Kugeln, die sie enthielt, durch die Mauer in das angrenzende Zimmer und zerbrachen die Tür der entgegengesetzten Mauer.

Nach Sonnenuntergang war alles still. Es kam ein Brief von den Bewohnern des einzigen armenischen Hauses innerhalb der türkischen Linien, das verschont geblieben war, weil Djevded als Knabe darin gelebt hatte.[1] Darin wurde mitgeteilt, daß die Türken die Stadt verlassen hätten. Die Kasernen auf dem Burgfelsen und am Fuß desselben enthielten eine so kleine Wache, daß sie leicht überwältigt wurden. Dann wurden die Kasernen niedergebrannt. Dasselbe geschah mit sämtlichen türkischen „Dirks“ (Verschanzungen), die danach aufgesucht wurden. Die große Kaserne spie ihre Garnison aus, einen Trupp von zahlreichen Reitern, die über die Hügel davon ritten. Nach Mitternacht wurde dann die Kaserne niedergebrannt. Man fand große Vorräte von Weizen und Munition. Das alles erinnerte an 2. Könige 7 (Belagerung von Samaria).

Die ganze Stadt war wach, man sang und freute sich


  1. Djevded Bey ist der Sohn und Nachfolger des ausgezeichneten Wali Tahir Pascha, der 16 Jahre lang im besten Einvernehmen mit den Armeniern als Gouverneur des Wilajets Wan in der Stadt gelebt hatte und Muhammedanern und Christen gleichermaßen gerecht geworden war.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/129&oldid=- (Version vom 31.7.2018)