konnte, von dem niemand weiß, wie es sich fortpflanzt, wer es lehrt und wem es gelehrt wird, dieses Phantom antisemitischer Einbildungskraft soll also der letzte Beweis für die Existenz des dem geschriebenen jüdischen Gesetze widerstreitenden Ritualmords sein! Mit vollem Rechte wird da H. Dr. Hentschel sagen: „Phantasien, aber keine Thatsachen! Dr. Bachler ist zwar ein recht guter Antisemit, aber ein herzlich schlechter Musikant.“ Wir aber halten mit demselben Rechte das „Gutachten“ Dr. Bachlers für eine Bankrott-Erklärung der Anklage gegen die Juden wegen Ritualmords und eine Leichenrede, die er dem Ritualmord-Aberglauben gehalten hat.
Eine Bestätigung unserer Ansicht bietet das nun folgende Gutachten des Oberlehrers Bensemer in Thorn, welcher nicht bloß an den jüdischen Ritualmord, sondern auch an das geheime jüdische Femgericht glaubt, welches den Gymnasiasten Winter in Konitz wegen geschlechtlichen Umgangs mit Judenmädchen zum Tod verurteilt hat. Der Inhalt seines „Gutachtens“ besteht darin, daß er in Eile einige Schläge thut, um das leere antisemitische Stroh zu dreschen, und dann die Gelegenheit benützt, um auf eine Schrift hinzuweisen, die demnächst zu Berlin unter dem Titel erscheinen wird: „Die Motive zu den Blutmorden der Hebräer“. Wir wollen sein Gutachten als einen Stroh-Kranz betrachten, den er (wenn auch ohne seine Absicht) auf dem Grabe des Ritualmord-Aberglaubens niedergelegt hat.
Ein Schriftsteller erscheint jetzt wieder im Leichenzuge (Nr 394 u. 396), Dr. Giese, Geschäftsführer der deutsch-socialen Geschäftsstelle in Berlin. Über die theologischen Kenntnisse, die er in seinem umfangreichen Gutachten zum besten giebt, können wir füglich mit Stillschweigen hinübergehen, uns interessiert bloß die „Hypothese“, die er als die wahrscheinlichste zur Erklärung der sogenannten Ritualmorde aufstellt mit den Worten: „Die Thäter sind verkommene Subjekte, die aus Gewinnsucht handeln, gereizt durch den Preis, der für das gewonnene Blut gezahlt wird; die Anstifter sind Fanatiker des Aberglaubens oder des Ritus, deren Gewissen sich bei schwächlichen Surrogaten nicht beruhigt, und die für gewisse Zwecke statt jüdischer Opfer und jüdischen Blutes wenigstens nichtjüdische Menschenopfer und nichtjüdisches Menschenblut verlangen. Sie zeigen sich darin als würdige Nachkommen jener alttestamentlichen Juden, die trotz aller Vermahnungen
Friedrich Frank: Nachträge zu „Der Ritualmord vor den Gerichtshöfen der Wahrheit und Gerechtigkeit“. Verlagsanstalt vorm. G. J. Manz Buch- und Kunstdruckerei A.-G. München-Regensburg, Regensburg 1902, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Ritualmord_vor_den_Gerichtsh%C3%B6fen_(1902).djvu/78&oldid=- (Version vom 31.7.2018)