Im Nu hatte ich die Decken und die Tote herausgehoben. Und – ich hatte richtig vermutet: es gab in dem Mumiensarge ein bankähnliches Gestell …!
Dieses herausnehmen und unter ein Fenster stellen, dann in dem Kasten hineinklettern und die Peruanerin samt ihren Decken über mich breiten war eins …
Aber ich wollte nicht leichtsinnig meine Rettungsaussichten verringern. Ich gab genau acht, daß die Mumie und die Decken etwa so zu liegen kamen, wie ich alles vorgefunden hatte.
Die ausgetrocknete Tote, steif wie Holz, wog nicht eben viel. Ich merkte die Last kaum. Nur Staub gab es in dem Sarge, der seltsam aromatisch roch. Ich hielt mir die Nase fest zu, atmete sehr vorsichtig.
Nießen müssen …!! Das hätte mir noch gefehlt!! Ein einziges lautes Haschti zu unrechten Zeit, und ich war verloren …
Minuten vergingen. Vielleicht war es auch eine Viertelstunde … Dann Schritte, Stimmen. In meinem Sarge hörte ich alles nur ganz undeutlich …
Mein Herz begann zu hämmern. Die Entscheidung war da … Schweiß trat mir auf die Stirn, trotzdem es in dem Saale wahrhaftig kalt genug war. Der Schweiß lief mir in die Augen, brannte, fraß … Die Zähne vibrierten mir … Und jetzt fühlte ich noch zu allem einen starken Hustenreiz … Aber ich unterdrückte ihn mit aller Energie, dass mir die Augen nur so tränten …
Schritte hin und her; Stimmen hier und dort. Zuweilen ganz nah an meinem Versteck …
Es waren entsetzliche Minuten. Mein Leben war bis dahin ohne große Erregungen hingeflossen. Erst der Krieg mit seinen furchtbaren Bildern hatte mich das Grausen gelehrt. – Aber was waren Haufen verkrümmter Leichen gegen das, was ich jetzt empfand …?! Ich liebte das Dasein, hatte es stets von der leichten Seite genommen. Und jetzt nun hing alles an einem seidenen Fädchen … Vielleicht
W. Belka: Der Mumiensaal. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1916, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Mumiensaal.pdf/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)