Walther Kabel: Der Mann mit dem Kautschukgesicht (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 3) | |
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verurteilte die Italiener zu lebenslänglicher Verschickung nach einer der Strafkolonien. Inzwischen war der echte Perigod in Brüssel, wo er sich monatelang zu verbergen gewußt, verhaftet worden. Die Zeitungen berichteten über die Ergreifung des Bankräubers mit allen Einzelheiten, woraus dem Wirt vom „Lustigen Jakobiner“, dem man keine unmittelbare Schuld an dem Anschlage auf den Kaiser hatte nachweisen können, endlich klar ward, daß er einem verkleideten Polizeibeamten an Stelle des wirklichen Perigod den Schutz seines Hauses geboten. Die übrigen Mitglieder der Geheimgesellschaft trachteten nach dein Namen des Beamten, der den Anschlag zu vereiteln gewußt und ihre Genossen den Behörden in die Hände gespielt hatte. Als sie erfuhren, wer es gewesen war, versuchten sie im Zeitraum von zwei Monaten nicht weniger als sechs Mordanschläge auf Duperdin, nachdem sie in einem Drohbrief geschworen hatten, ihn zu töten. Bei dem letzten Mordversuch traf den inzwischen zum Kommissar beförderten Duperdin ein Schuß in die Schulter. Der Vorstand der politischen Polizei, zu welcher der frühere Sänger inzwischen übergetreten war, ließ Duperdins Tod in den Zeitungen melden und die Täuschung bis zum Begräbnis durchführen – wobei man einen leeren Sarg der Erde übergab – alles nur, um den bei Napoleon III. in hoher Gunst stehenden Beamten vor weiteren Nachstellungen zu schützen.
Der französische Geschichtschreiber Hugo v. Fourlanier teilt über die ferneren Schicksale Duperdins in seinem Buche „Napoleon III. und seine Zeit“ folgendes mit. „An dem Tage, als Hektor Charles Godefroy Duperdin, das angebliche Opfer der trotz aller Bemühungen nicht zu fassenden italienischen Geheimgesellschaft, auf dem Sacré-Coeur-Kirchhof beerdigt worden war, tauchte in der Umgebung des Kaisers ein älterer graubärtiger Herr, Baron Roger v. Surlarge, auf, dessen wahren Namen und Beruf nur wenige vertraute Napoleons kannten. Selten hat ein Mann ein so abenteuerliches Leben geführt wie dieser Baron, der angeblich in der Normandie ein Schloß besaß, das er hin und wieder aufzusuchen pflegte – dann nämlich,
Walther Kabel: Der Mann mit dem Kautschukgesicht (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 3). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1916, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Mann_mit_dem_Kautschukgesicht.pdf/4&oldid=- (Version vom 31.7.2018)