b) Wegwerfen eiserner Hebel, c) Reinigen der Wägen, d) Umwerfen von Rücklehnen, e) Entfernen von Holztrittbrettern; 2. durch rasches Aus- und Einfahren der Wägen resp. schnelles Passieren der Wechsel; 3. durch häufige Glockensignale. – Bei der Klage der Anwohner dieses angenehmen Depots wird nun von verschiedenen Gerichtshöfen vor allem darüber Erhebung gepflogen, ob der Lärm „ortsüblich” sei, oder nicht. Dabei aber laufen den Richtern zwei ganz verschiedene Gesichtspunkte wirr durcheinander. Sie denken bei dem Begriffe „Ortsüblichkeit” zunächst an so etwas wie „Wesenszugehörigkeit”, d. h. sie verhandeln darüber, ob all dieser Lärm zum „Wesen” eines Trambahndepots gehöre oder ob er auch eventuell „vermeidbar” sei. Denn ein unvermeidbares, allgemeines Übel ist nach altem Rechtsgrundsatz nicht klagbar. – Zweitens aber dachte man bei dem Begriffe „Ortsüblichkeit” daran, ob man an der betreffenden Lokalität, also in der betreffenden Gegend Münchens, solchen Lärm „gewohnt” sei und „erwarten” dürfe. Man forschte insbesondere danach, ob eine sog. „Prävention des Lärmes” bestanden habe, d. h. ob etwa seit alters an der betreffenden Stelle immer gelärmt worden ist, so dass die sich dort ansiedelnden Leute den Lärm „eben mit in den Kauf nehmen müssen.” Beide Gesichtspunkte laufen den Richtern des bayerischen Landgerichts wie des Oberlandesgerichts durcheinander… Eine Unmöglichkeit, gegen Lärm zu klagen, liegt nach Entscheidung des Reichsgerichts vor, wenn das Stadtviertel, in dem der Lärm stattfindet, „schon seit längerer Zeit als Fabrikviertel bekannt ist.” Die Klage gegen das Strassenbahndepot wird demgemäss auch hier abgewiesen mit der Begründung, dass an der selben Stelle sich schon lange Zeit ein Depot befunden habe. Dies bestätigt das Reichsgericht. – Alle diese Präventionsbestimmungen sind natürlich unwägbar und unsäglich unbestimmt. – Gesetzt etwa, ein altes Pferdebahndepot befindet sich viele Jahre an der selben Stelle. Plötzlich wird der alte Betrieb eingestellt und dafür der elektrische Betrieb eingeführt. Der Grundsatz der Prävention ist somit gewahrt. Aber für die neu in das Viertel Einziehenden ist gleichwohl eine andere Konstellation als die früher bestehende gegeben. Der Lärm ist verzehnfacht. Die Wohnungen verlieren an Wert. Ihre Besitzer aber konnten diese Umwandlungen nicht voraussehen. Will man sich nun gleich dem Münchener Oberlandesgericht auf „Ortsüblichkeit” berufen? Will man ihre Klage für unberechtigt erklären? Dann kann natürlich etwas Ähnliches bei jeder „Ortsüblichkeit” zu erwarten stehn. Jeder Fabrikant, der für eine genehmigungspflichtige Anlage Niederlassungsrechte erworben hat, kann täglich zu neueren Verfahren und anderen Maschinen übergehen. Damit aber kann er den ganzen Charakter seiner Anlage ändern. – Diese Erwägung zeigt also, dass bei Kollisionen der Rechte benachbarter Eigentümer der Grundsatz der Prävention nicht herangezogen werden darf. Wenn ich z. B. ein
Theodor Lessing: Der Lärm. J. F. Bergmann, Wiesbaden 1908, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_L%C3%A4rm.pdf/84&oldid=- (Version vom 31.7.2018)