Löwenhaut, die ich nachher mit so viel Glück und vielleicht auch Geschick zu meiner Maskerade benutzte.
Ich lag am Rande der Schlucht auf einem einzelnen Felsen und hatte das Schauspiel des Sonnenuntergangs genießen wollen. Da tauchten die von den Löwen eingekreisten Antilopen auf. Das größte der Raubtiere kam auf Schußweite an meinem Felsen vorbei. Ich hätte den mähnenumwallten, prächtigen „Herrn mit dem dicken Kopf“ vielleicht geschont. Aber die gelben Bestien vertrieben mir das eßbare Wild, wenn ich sie nicht schleunigst aus der Umgegend verscheuchte. Meine Kugel ging dem Löwen mitten in die Stirn. Ich war inzwischen ein vorzüglicher Schütze geworden. Ich lobe mich selbst. Aber ich darf es in dieser Beziehung wirklich tun.
Ich erreichte meinen Zweck. Die drei übrigen Bestien, leider aber auch die schnellfüßigen Antilopen verschwanden. Bald war das Fell des Raubtieres so hergerichtet, wie Sie es jetzt dort in der Ecke sehen. Zunächst schnürte ich mich mehr zum Scherz einmal darin ein und beschlich in dieser Vermummung eine Herde wilder Maulesel. Dann aber kam mir der Gedanke, wobei ich an die große Furcht der Beduinen vor dem König der Tiere dachte, daß es vielleicht ganz zweckdienlich sei, die Maskerade für alle Fälle so einzuüben, daß ich den Nomaden gegenüber in Ehren als Löwe bestehen könnte.
So lernte ich mich in der Löwenhaut leidlich „tiergetreu“ bewegen. Und wie gut und vortrefflich dieser Einfall gewesen, sollte sich sehr bald zeigen. – Abermals erschienen wandernde braune Wüstensöhne mit Weibern, Kinder, Hunden und Pferden in der Schlucht. Ich hätte also wieder vielleicht eine längere Hungerkur durchmachen müssen, wenn ich es nicht keck gewagt hätte, in meiner Schreckenerregenden Tierhaut gleich in der ersten Nacht mich den weidenden, nur von vier Wächtern behüteten Herden zu nähern und dabei einen Kampf mit den bissigen Hunden auszufechten, der dreien das Leben kostete, während anderseits die Weidetiere in toller Angst auseinanderstoben und die Wächter schreiend in die Schlucht flüchteten. Den Beduinen war die Nähe eines männlichen Löwen unheimlich. Sie zogen ab. Und auf dieselbe Weise konnte ich
W. Belka: Der Gespensterlöwe. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1916, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Gespensterl%C3%B6we.pdf/24&oldid=- (Version vom 31.7.2018)