Walther Kabel: Der Doppelgänger. In: Zeit im Bild, Jahrgang 1908, S. 59, 82–84, 106–108, 130–132, 154–156, 178–180, 202–204, 226–228, 250–252, 274–276, 298–300, 322–324, 346–348, 370–372, 394–396, 418–420, 442–444, 466–468, 490–492 | |
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Und diese Aussagen müssen stimmen,“ sagte eifrig der Kommissar, da der Laufbursche, der Herrn Friedrichs die Besucher zu melden hat, in der Zeit von vor 10 bis 11 den Vorraum da, in dem er gewöhnlich seinen Platz hat, nicht verlassen haben will und dem Prokuristen gegenüber ausgesagt hat, daß außer den genannten Herren niemand anders in das Privatkontor hier gekommen ist – auch wohl nicht gekommen sein kann – ich meine vielleicht auf einem andern Wege –, da die Fenster sowohl hier als dort im Wartezimmer fest vergittert sind und es auch einen anderen Zugang nicht gibt. Der Letzte, der den Bankier lebend gesehen hat, war – außer dem Mörder – der Laufbursche. Und dieser Mörder kann niemand anders, als der Baron v. Berg sein, da der Laufbursche, als er diesen gegen ¾11 meldete, seinen Herrn noch gesprochen hat; nach dem Baron v. Berg hat als nächster der Prokurist diesen Raum betreten, und da war Herr Friedrichs bereits schon ermordet.“
Der Staatsanwalt überlegte. Als ob er seiner Sache noch nicht ganz sicher sei, fragte er nochmals: „Also die Besucher bei dem Ermordeten folgten in der Reihenfolge: Zuerst der Prokurist, dann der Baron v. Berg, dann der Kassierer, der das Geld brachte, dann der Baron v. Berg zum zweitenmal und schließlich wieder der Prokurist, der seinen Chef ermordet auffand. Nicht wahr – so ist’s doch?“
„Jawohl, Herr Staatsanwalt – und auch die Zeit, um die der Mord ausgeführt wurde, steht fest: Als der Baron v. Berg zum zweitenmal gegen ¾11 sich durch den Laufburschen anmelden ließ, hat Herr Friedrichs zweifellos noch gelebt. Als jener Herr v. Berg dann nach wenigen Minuten, wie der Portier ausgesagt hat, das Gebäude verließ, hat niemand mehr den Bankier lebend gesehen. Der Baron ist der Täter – und die Tat wurde gegen ¾11 begangen.“ Der Kommissar schaute sich selbstzufrieden im Kreise um; als er aber das Gesicht des Dr. Werres sah, wandte er sich ärgerlich ab, da um den Mund seines „Schülers“ ein unangenehmes, ironisches Lächeln spielte.
„Und welche Maßnahmen haben Sie weiter getroffen, Herr Kommissar?“ fragte der Staatsanwalt.
„Ich habe natürlich sofort durch den Kriminalbeamten Behrent an das Polizeipräsidium telefonieren lassen. Zurzeit sind alle verfügbaren Beamten auf der Suche nach diesem Baron von Berg, außerdem werden auch die Bahnhöfe bereits überwacht und auch nach dem Hotel „Deutsches Haus“, in dem der Baron gewöhnlich absteigt, sind Beamte geschickt.“ Wieder nickte der Staatsanwalt zustimmend. Dann wandte er sich an den Arzt. „Nun, und Sie Herr Doktor?“
„Der tödliche Stich“ – setzte dieser auseinander – „ist mit großer Gewalt ausgeführt, hat das Herz getroffen und
Walther Kabel: Der Doppelgänger. In: Zeit im Bild, Jahrgang 1908, S. 59, 82–84, 106–108, 130–132, 154–156, 178–180, 202–204, 226–228, 250–252, 274–276, 298–300, 322–324, 346–348, 370–372, 394–396, 418–420, 442–444, 466–468, 490–492. Berliner Central-Verlag, Berlin 1908, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Doppelg%C3%A4nger.pdf/8&oldid=- (Version vom 31.7.2018)