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Seite:Denkwürdigkeiten einer deutschen Erzieherin in Belgien, England, Spanien, Portugal, Polen und Deutschland.pdf/128

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davon in Kenntniß zu setzen und sie so wie die Familie C. als Zeugen der Feier einzuladen. Sie brachten uns Alle die freudigsten Glückwünsche, und nichts konnte schmeichelhafter sein, als die Aufmerksamkeiten, die ich von allen Seiten erhielt.

Auf mir ruhete nun die schmerzliche Aufgabe, Mistreß T. den Contract zu kündigen und auch Miß M. davon zu benachrichtigen. Mein Bräutigam rieth mir, meine Verlobung und bevorstehende Heirath offen als Grund anzugeben, allein ich wußte, daß der einzige Gram der letzteren darin bestand, daß sie eine alte Jungfer geworden war und nichts sehnlicher wünschte, als in den gesegneten Ehestand zu treten. Ich fürchtete daher ihren Mißmuth zu erregen, wenn ich mich als am Ziele der weiblichen Wünsche angelangt ihr vorstellen würde, denn obwohl fast zwanzig Jahre älter und in vielen Beziehungen sehr großmüthig, war sie doch bezüglich der Altersfrage sehr empfindlich und nahm es stets sehr übel, wenn mich Jemand für jünger hielt. Sie nahm auch meine Erklärung, die mir wirklich ihr gegenüber nicht leicht ward, mit einem süßsauern Gesicht auf, gratulirte mir jedoch, nachdem ich ihr alle gestellten Fragen beantwortet; aber die eisige Kälte, womit sie mich entließ, überzeugte mich augenblicklich, daß mein Vorsprung ein Verbrechen in ihren Augen und ich ihrer Freundschaft dadurch verlustig geworden war. Hierauf begab ich mich nach Grays inn Lane zu Herrn C., wo ich Frau T. fand. Sie empfing meine Erklärung mit sichtbarer Bestürzung und versicherte mich, daß alle ihre Pläne und Hoffnungen an diesem Ereignisse scheiterten, gab jedoch zu, daß mein Verfahren ihr gegenüber vollkommen gerechtfertigt sei. Am Schlusse der Unterredung machte sie mich zu meiner Verwunderung auf die List und Betrüglichkeit der Männer aufmerksam und rieth mir, meinen Bräutigam mit Muse zu prüfen, auch bis zu meiner Verheirathung in ihr Haus zu kommen.

Der Gedanke, daß diese Dame vielleicht das Opfer einer Intrigue sein könne, schoß plötzlich wie ein Pfeil mir durch den Kopf, und ich hätte beinahe eingewilligt; allein das Vertrauen zu meinem Bräutigam und die Erinnerung an das ihm gegebene Versprechen siegten über jede Bedenklichkeit, weshalb ich auf meinem Entschlusse beharrte. Mistreß T. wünschte mir schließlich viel Glück zu meinem Vorhaben und entließ mich ohne ein Zeichen gekränkter Eitelkeit oder von Erbitterung. Ich fühlte mich von einer unaussprechlichen Schwermuth befallen, denn ich fand das Betragen und Verfahren dieser Dame von Anfang bis Ende