„Halten Sie es für ein Mirakel, fragte er einmal Cornelie, daß zwei Personen verschiedenen Geschlechts Freunde sein können ohne im Geringsten aus der Sphäre der Freundschaft in die der Liebe zu gerathen?'“
„Ganz und gar nicht, denn wir beide vollführen dies Mirakel!“ erwiderte sie. Und finden Sie nicht - ganz aufrichtig gesprochen! - die Freundschaft unendlich viel reizender, befriedigender, bequemer zum Leben, als die Liebe?“
Cornelie lachte und sagte: „Die Freundschaft hat auch ihre Meriten - aber die Liebe“ .… -
„Nun, die Liebe? was hat man von der Liebe? Qual, Unruh, Angst, Extase, böses Gewissen, Berauschung, ein Zustand von obenaus und nirgendsan, Martern, Unbehagen, Gleichgültigkeit für Alles was sie nicht - wahnsinnige Spannung für Alles was sie betrift: so lebt man. Denken thut man gar nicht in ihren Paroxysmen. Ihre Sprache schrumpft zusammen auf jauchzen, weinen, fluchen, seufzen, dichten. Gotteslästerlich ist sie ohnehin. Jeder hat in mißglückten Liebensanfällen wol hundertmal Gott und sich und das Leben und das ganze Universum verwünscht. Aber in der Freundschaft ist das nie passirt! ach, wie geht sie so beruhigend, so fein stillchen, friedlich und vernünftig einher, läßt jedem seinen besonnenen
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Erster Band. Berlin 1845, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn).djvu/210&oldid=- (Version vom 31.7.2018)