„Schmerzen haben auch ihre Fessel,“ sagte Cornelie sanft. Schmerzgeprüfte Seelen sind fast immer treue Seelen.“
„Vielleicht - weil es müde Seelen sind.“
„So gering denken Sie von der Treue? ich halte sie nicht für Ermüdung, sondern für Bewahrung des ganzen Seins.“
„Dazu gehört daß dem ganzen Sein ein Spielraum geöfnet werde um zur Bewahrung seiner Selbst zu gelangen. Davon ist bei Unsereinem nicht viel die Rede! er füllt seinen engen Wirkungskreis, er bekleidet sein Amt, er thut seine fest vorgezeichnete Pflicht; sich selbst auszuleben mit individuellen Bestrebungen und Richtungen - ach! dahin gelangt man nicht! In solchen Verhältnissen giebt es wirklich keine andre Treue als die der Gleichgültigkeit oder der Gewohnheit; - und aus Gewohnheit, glaub' ich, ist mir die Heimat lieb.“
„Dereinst wird es aus Ueberzeugung sein! entgegnete Cornelie zuversichtlich. Sie werden reisen, werden fremde Länder und Völker, Sitten und Gebräuche kennen und dann erst die Heimat lieben lernen. Darum sind Reisen so bildend, weil man ohne sie stets geneigt ist die Fremde zu überschätzten oder zu verachten, je nachdem es einem schlecht oder gut in der Heimat gegangen ist. Hinter die Berge
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Erster Band. Berlin 1845, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn).djvu/206&oldid=- (Version vom 31.7.2018)