Zum Inhalt springen

Seite:De Zwei Frauen (Hahn-Hahn).djvu/118

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


der Keim des Genies liege in jedem Menschen, sogar im Idioten; es komme nur darauf an ihn zu wecken. - Bis zu einem gewissen Punkt, der nicht genau vorher zu bestimmen ist, lassen sich natürliche Anlagen allerdings durch Sorgsamkeit, Pflege und Ausdauer entwickeln, und dieser Spielraum ist grade weit genug um den geistigen und sittlichen Mittelschlag des Menschengeschlechts zu erzielen. Aber es ist fern von diesem durch die Erziehung bewirkten mäßigen Schritt, bis zu dem Riesensprung den das Genie in seinen überraschenden Entwickelungen macht. Zu diesem Sprung ist nun eben der Geist nicht zu bewegen, wenn nicht in ihm der Drang und der Sporn ist; und das ist ein Beweis seiner ingebornen Vernunft: sie lehrt ihn erkennen, was er wagen und was unterlassen soll. Aber die Erziehung rüttelt an der Vernunft, übertäubt, überheizt und überreizt den Menschen, und um die Kluft, über welche im triumphirenden Schwung das Genie setzt, flattern, trippen und hüpfen beängstigte Geschöpfe, Schatten ohne Wesen, Producte der Erziehung, die sich abmühen um zu wollen und nicht den Kern haben um zu können. Wissen, wollen, können: dieser Dreiklang ist die Essenz des Genies.

Aurora bemühte sich ihrem Fritzchen etwas davon einzutröpfeln, ohne zu bedenken, daß, wenn es ihr

Empfohlene Zitierweise:
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Erster Band. Berlin 1845, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn).djvu/118&oldid=- (Version vom 31.7.2018)