daß solch ein Opferdrang in gewöhnlichen Alltagsverhältnissen sehr lästig und ganz unpassend ist.
„Meine Mieze, warum hast Du denn geweint?“ so begrüßte Elsleben eines Abends seine Frau, die ihm mit dickverschwollnen Augen entgegentrat.
„O Gott, lieber Friedrich, in Berlin nennt man die Katzen „Mieze“. Nenne mich doch nicht so!“ rief Aurora mit strömenden Thränen.
„Hast Du geweint weil ich Dich „Mieze“ nenne? sagte er und strich begütigend ihre Wangen. Nun beruhige Dich, ich will's nicht mehr thun, mein Miezchen .… mein Rörchen wollt' ich sagen! - denn, zum Henker! ich kann Dich doch nicht Aurora nennen! so heißt ja kein Mensch - im Hause! das ist ein Paradename. Ich dachte „Mieze“ gefiele Dir sehr gut, weil ich Dich so aus Liebe nenne.“
„Eben darum habe ich mich auch schon etwas an den abscheulichen Namen gewöhnt, entgegnete Aurore; aber geweint hab ich, weil Du am Nachmittag sagtest, Du wolltest mit mir spazieren gehen, und da habe ich zwei Stunden auf Dich gewartet.“
„Das hättest Du nicht thun, sondern allein spazieren gehen sollen, sagte er harmlos; denn jezt ists zu spät, wir müssen essen.“
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Erster Band. Berlin 1845, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn).djvu/023&oldid=- (Version vom 31.7.2018)