Als die Brüder in ihren Garnisonen eintrafen, war die Entscheidung gefallen.
Und dann kamen Tage und Tage, wo es schien, als flute die ganze wehrhafte Männerwelt in einem ungeheuern grauen Strom aus dem Lande. Und immer neue Wellen folgten. Alle in derselben Richtung. Alle nach Westen. Auch durch die kleine Station bei Großmamas Gut fuhren die langen Züge während Tagen und Tagen. Und auch die Nächte hindurch tönte ihr Rollen vom Tale zum Schloß hinauf. Dies Rollen klang verschieden vom Rollen anderer Züge. Man hörte förmlich die Schwere dieser langen, langen Wagenreihen. Und sie waren ja auch schwer von Hoffnungen, die sie trugen, von Sorgen und Wünschen, die sich an sie hefteten.
Jedesmal, wenn ein Zug angemeldet war, strömten die Daheimgebliebenen aus den benachbarten Dörfern zu der kleinen Station, alle beladen mit irgend etwas, das sie den Ausrückenden schenken wollten. Denn wenn auch in dieser dichtbevölkerten Gegend die Städte nahe beieinander lagen, in deren Bahnhöfen Speisungen stattfanden, so wollte doch auch solch kleine Haltestelle nicht nachstehen. Ein Bedürfnis zu geben und zu schenken war in jedem, der Wunsch, den Scheidenden noch etwas Liebes anzutun, sie möglichst auszurüsten und zu stärken für Kampf und Sieg. Jedes Brot, jede Zigarre, die in die bekränzten Wagen gereicht wurden, sollten sich ja wandeln in Kraft, die die Feinde schlüge. Die Empfänger nahmen es alles mit guten, etwas verdutzten Gesichtern entgegen. Einfache Leute zumeist,
Elisabeth von Heyking: Zwei Erzählungen. Philipp Reclam jun., Leipzig [1918], Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Erz%C3%A4hlungen_Heyking_Elisabeth_von.djvu/30&oldid=- (Version vom 31.7.2018)