Es war kühl und feucht. Wolken standen am Himmel. Dennoch aber stieg drüben blutrot der Mond empor. Wie manches Mal hatte sie ihn schon mit dem Mann an ihrer Seite heraussteigen sehen. Wie manches Mal! Niemals aber war ihr das Leben so traurig erschienen wie heute, wie jetzt. Alle Ufer, alle Ghats lagen verödet. Wo bei Tagesanbruch ein so tolles Leben gepulst und gebraust, lagerte jetzt das große Schweigen. Nur vom „burning Ghat“ herüber (der Verbrennungsstätte) kam ein leicht brenzlicher Geruch, kräuselte und schwelte ein leiser Hauch, die letzten Zuckungen aus den Scheiterhaufen. — Indra fröstelte es in ihrem leichten Kimono. Er sah es und hing ihr seinen Mantel über die Schultern. „Die Liebe zu dir wird mir vielleicht das Nirwana erkaufen,“ sprach er leise, „daß ich endlich Frieden finde.“ Sie schwiegen beide. Etwas Weißes kam herangeschwommen. Sie hielt es für eine Blume und haschte danach, ließ es aber gleich mit einem Aufschrei wieder los. — „Was war das?“ — „Ein Kinderhändchen“, sprach sie schaudernd, — „Da sind die Glücklichen,“ sagte Boris, „deren Leichen
Hermione von Preuschen: Yoshiwara., Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Yoshiwara_Preuschen_Hermione_von.djvu/171&oldid=- (Version vom 17.8.2016)