Es war ein höchst unruhiger Tag.
Dymow hatte heftige Kopfschmerzen; des Morgens hatte er keinen Tee getrunken, war auch nicht in sein Krankenhaus gegangen und lag die ganze Zeit in seinem Zimmer auf dem türkischen Sofa. Olga Iwanowna ging wie gewöhnlich gegen ein Uhr zu Rjabowskij, um ihm ein neu angefangenes Stilleben zu zeigen und um ihn zu fragen, warum er gestern nicht gekommen sei. Sie hielt die Skizze selbst für unbedeutend und hatte sie auch nur gemalt, um einen Vorwand zu haben, den Maler aufzusuchen.
Sie trat ein, ohne anzuläuten, und während sie im Vorzimmer die Galoschen auszog, kam es ihr vor, als ob jemand durchs Atelier lief und ein Frauenkleid raschelte; als sie hineinblickte, sah sie noch das Ende eines braunen Rockes hinter dem großen Bild verschwinden, das mit der Staffelei bis zum Fußboden mit einem schwarzen Tuch zugedeckt war. Es war zweifellos eine Frau, die sich da versteckte. Wie oft hatte auch Olga Iwanowna selbst hinter diesem Bilde Zuflucht gefunden! Rjabowskij schien sehr verlegen und über ihren Besuch erstaunt. Er streckte ihr beide Hände entgegen und sagte mit gezwungenem Lächeln:
„Ah! Freue mich sehr, Sie bei mir zu sehen. Was werden Sie mir Schönes sagen?“
Olga Iwanownas Augen füllten sich mit Tränen. Sie
Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/163&oldid=- (Version vom 31.7.2018)