wohl Olga Iwanowna? Warten Sie eine Weile, sie muß gleich kommen.“
Dymow setzte sich hin und begann zu warten. Der eine von den Schwarzbärtigen blickte ihn verschlafen und gleichgültig an, schenkte sich ein Glas Tee ein und fragte:
„Wollen Sie vielleicht Tee?“
Dymow hatte zwar Hunger und Durst; da er sich aber den Appetit nicht verderben wollte, verzichtete er auf den Tee. Bald darauf erklangen Schritte und ein ihm wohlbekanntes Lachen; die Tür ging auf, und ins Zimmer stürzte Olga Iwanowna in einem weitkrempigen Hut, mit einem Malkasten in der Hand; ihr folgte mit einem großen Schirm und einem Klappstuhl, lustig und rotbäckig, Rjabowskij.
„Dymow!“ rief Olga Iwanowna und wurde vor Freude ganz rot. „Dymow!“ rief sie noch einmal und schmiegte ihren Kopf und beide Hände an seine Brust. „Du bist es! Warum bist du so lange nicht gekommen? Warum? Warum?“
„Wann soll ich denn herkommen, Mama? Ich bin immer beschäftigt, und wenn ich mal freie Zeit habe, so paßt der Fahrplan nicht.“
„Aber wie freue ich mich, dich zu sehen! Die ganze Nacht träumte ich von dir und fürchtete immer, du seist erkrankt. Ach, wenn du nur wüßtest, wie lieb, wie willkommen du mir bist! Du wirst mein Retter sein. Du allein kannst mich retten! Morgen soll hier eine höchst originelle Hochzeit stattfinden,“ fuhr sie fort, lachend und ihrem Manne die Krawatte bindend. „Der Bräutigam ist ein junger Telegraphist von der Bahnstation, ein gewisser Tschikeldejew. Ein hübscher junger Mann, gar nicht dumm, und hat im Gesicht etwas Starkes, weißt du, etwas von einem Bären… Er könnte als Modell zu einem Warjagen dienen. Wir, alle Sommerfrischler,
Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/144&oldid=- (Version vom 31.7.2018)