ins Gesicht und sprach leidenschaftlich, glühend und schön. Erschrocken und berauscht, hörte sie seine Worte nicht. Gerade jetzt, in diesem gefährlichen Augenblick, wo ihre Knie angenehm zuckten, wie in einem warmen Bad, suchte sie mit einer gewissen Bosheit den Sinn ihrer Gefühle zu analysieren. Sie war empört, daß ihre ganze Person, anstatt von einer protestierenden Tugend, von Schwäche, Faulheit und Leere ergriffen wurde, als wäre sie trunken. Nur in der Tiefe der Seele reizte und neckte sie heimtückisch ein entferntes Etwas: „Warum gehst du denn nicht? Das muß also so sein? Ja?“
Sich selbst analysierend, begriff sie nicht, warum sie nicht die Hand, an der sich Iljin wie ein Blutegel festgesogen hatte, zurückzog, und zu welchem Zwecke sie zugleich mit IIjin sich nach beiden Seiten umschaute, ob nicht jemand hersah? Die Fichten und Wolken standen regungslos und schauten ernst und nachdenklich drein. Auf dem Damm stand wie eine Säule der Posten und sah, wie es schien, gerade zur Bank zurück.
Laß ihn sehen! dachte Ssofja Petrowna.
„Aber… aber hören Sie!“ sagte sie endlich, mit verzweifelter Stimme. „Wozu wird das führen? Was wird daraus werden?“
„Ich weiß nicht… weiß es nicht…“ stammelte er, mit der Hand die unangenehmen Fragen abwehrend.
Man hörte den heiseren zitternden Pfiff der Lokomotive. Dieser fremde und kalte Laut der alltäglichen Prosa zwang Frau Lubjanzew, sich aufzuraffen.
„Ich habe keine Zeit… ich muß!“ sagte sie, sich rasch erhebend. „Der Zug kommt schon… Andrej ist gleich da! Er muß zu Mittag essen.“
Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/108&oldid=- (Version vom 31.7.2018)