Die Bedeutung und das Wesen der Vehmgerichte läßt sich nur im Zusammenhang andrer Zustände des Mittelalters richtig erfassen. Die Rohheit des Faustrechts, die Grausamkeit der Strafen, sie bilden die Folie, auf welcher eine Darstellung der Vehme im rechten Lichte sich abheben muß.
Weit tiefer noch liegen die Wurzeln des Hexenwesens. Alle Zeiten, alle Völker wissen davon zu erzählen, als ob etwas allgemein Menschliches darin anklingen müßte. Aber wie ein schleichendes Gift zur verzehrenden Krankheit ausbricht, weil äußere Verhältnisse diesen Ausbruch begünstigten, so mußten auch für die verheerenden Hexenprozesse in Deutschland die Zustände aus der allgemeinen Rechtslage sich herausbilden und jene furchtbare Erscheinung möglich machen.
Populäre Darstellungen solcher Stoffe verfallen leicht in den Fehler der Oberflächlichkeit und Trivialität, während doch der gebildete Leser beanspruchen kann, daß ihm nur quellenmäßige Wahrheit, aber freilich nicht in unverdaulicher Form geboten werde. Dieser Anforderung suchen die folgenden Blätter gerecht zu werden.
Stuttgart, April 1882.
Oskar Wächter: Vehmgerichte und Hexenprozesse in Deutschland. W. Spemann, Stuttgart 1882, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Vehmgerichte_und_Hexenprozesse_in_Deutschland_W%C3%A4chter.djvu/006&oldid=- (Version vom 31.7.2018)