grüßte dann sehr tief und wickelte eine Zinnbüchse mit eingepreßten Buchstaben aus sich heraus. –
„Sie sind wohl der violette Pulp aus dem Steinbuttgäßchen,“ nickte gnädig der Alte, – „richtig, richtig, habe ja Ihre Mutter gut gekannt, – geborene ‚von Octopus‘. (Sie, Barsch, bringen Sie mir ’mal den Gothaschen Polypenalmanach her.) Nun, was kann ich für Sie tun, lieber Pulp?“
„Inschrift, – ehüm, ehüm – Inschrift – lesen,“ hüstelte der verlegen (er hatte so eine schleimige Aussprache) und deutete auf die Blechbüchse. –
Der Tintenfisch stierte auf die Dose und machte gestielte Augen wie ein Staatsanwalt:
„Was sehe ich, – Blamol! – Das ist ja ein unschätzbarer Fund – gewiß aus dem gestrandeten Weihnachtsdampfer? – Blamol – das neue Heilmittel, – je mehr man davon nimmt, desto gesünder wird man!
Wollen das Ding gleich öffnen lassen. Sie, Barsch, schießen Sie mal zu den zwei Hummern rüber, – Sie wissen doch, Korallenbank, Ast II, Brüder Scissors, – aber rasch.“
Kaum hatte die grüne Seerose, die in der Nähe saß, von der neuen Arznei gehört, huschte sie sogleich neben den Polypen: – – Ach, sie nahm sie so gerne ein; – ach, für ihr Leben gern! –
Und mit ihren vielen hundert Greifern führte sie ein entzückendes Gewimmel auf, daß man kein Auge von ihr abwenden konnte. –
Hai–fisch! – war sie schön! Der Mund war ein bißchen groß zwar, doch das ist gerade bei Damen so pikant.
Alle waren vergafft in ihre Reize und übersahen ganz, daß die beiden Hummern schon angekommen waren und emsig mit ihren Scheren an der Blechbüchse herumschnitten, wobei sie sich in ihrem tschnetschenden Dialekt unterhielten. –
Gustav Meyrink: Orchideen. München o. J., Seite. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Orchideen_Meyrink.djvu/088&oldid=- (Version vom 31.7.2018)