Ja, ja – glauben Sie es nur, er war mir ein guter Freund, – früher, als er noch lebte, – seine Seele noch hatte, – noch nicht wahnsinnig war. – – – Warum ich ihm nicht helfe? – Da läßt sich nicht helfen. Fühlen Sie nicht, daß man einer Seele nicht helfen soll, die – blind geworden – sich auf ihre eigene, geheimnisvolle Weise wieder zum Lichte tastet, – vielleicht zu einem neuen hellern Licht? –
Und es ist nichts mehr als ein Tasten der Seele nach Erinnerung, wenn Tonio hier Bologneser Tränen feilbietet! – Sie werden dann hören, – gehen wir jetzt fort von hier. –
– – – Wie zauberhaft der See im Mondlicht schimmert!
– – – Das Schilf, da drüben am Ufer! – So nächtig – dunkel! – Und wie die Schatten der Ulmen auf der Wasserfläche schlummern – – – dort in der Bucht! – –
– – – In mancher Sommernacht saß ich auf dieser Bank, wenn der Wind flüsternd, – suchend, durch die Binsen strich und die plätschernden Wellen schlaftrunken an die Wurzeln der Uferbäume schlugen, – und dachte mich hinab in die zarten heimlichen Wunder des See’s, sah in der Tiefe leuchtende, glitzernde Fische, wie sie leise im Traume die rötlichen Flossen bewegen, – alte, moosgrüne Steine, ertrunkene Äste und totes Holz und schimmernde Muscheln auf weißem Kies.
Wäre es nicht besser, man läge – ein Toter – da unten auf weichen Matten von schaukelndem Tang – und hätte das Wünschen vergessen und das Träumen?! –
Doch ich wollte Ihnen von Tonio erzählen.
– – – – – – – – – –
Gustav Meyrink: Orchideen. München o. J., Seite. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Orchideen_Meyrink.djvu/080&oldid=- (Version vom 31.7.2018)