vor dem Mund. – Aber Curarin! – Ich habe keine Ahnung, wie bei diesem Gift der Todeskampf aussehen mag, und wie sollte sich da eine Vorstellung in mir bilden können?! Darüber nachzulesen werde ich mich natürlich hüten, und zufällig oder unfreiwillig etwas darüber mit anhören zu müssen, ist ausgeschlossen. – Wer kennt denn heute überhaupt den Namen Curarin?!
Also! – Wenn ich mir nicht einmal ein Bild von den letzten Minuten meiner beiden Opfer (welch albernes Wort) machen kann, wie könnte mich ein solches je verfolgen? – Und sollte ich dennoch davon träumen, so kann ich mir beim Erwachen die Unhaltbarkeit einer solchen Suggestion direkt beweisen. Und welche Suggestion wäre stärker als ein solcher Beweis!
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26. September.
Merkwürdig, gerade heute nachts träumte ich, daß die beiden Toten links und rechts hinter mir hergehen. – Vielleicht, weil ich gestern die Idee vom Träumen niedergeschrieben habe!? –
Da gibt es jetzt nur zwei Wege, um solchen Traumbildern den Eintritt zu verrammeln:
Entweder fortwährend sich dieselben innerlich vorzuhalten, um sich daran zu gewöhnen, wie ich es mit dem dummen Wort „Mörder“ mache, oder zweitens diese Erinnerung ganz auszureißen aus dem Gedächtnisse. –
Das erstere? – Hm. – – Das Bild war zu scheußlich! – – Ich wähle den zweiten Weg. –
Also: „Ich will nicht mehr daran denken! – Ich will nicht! Ich will nicht, nicht, nicht mehr daran denken! – Hörst Du! – Du sollst gar nicht mehr daran denken! –“
Eigentlich ist diese Form: „Du sollst nicht usw.“ recht unüberlegt, wie ich jetzt bemerke, man soll sich nicht mit „Du“ anreden, – dadurch zerlegt man sozusagen sein Ich in zwei Teile: in ein Ich und ein Du, und das könnte mit der Zeit verhängnisvolle Wirkungen haben! –
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Gustav Meyrink: Orchideen. München o. J., Seite. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Orchideen_Meyrink.djvu/063&oldid=- (Version vom 31.7.2018)