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Seite:De Orchideen Meyrink.djvu/061

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Wenn ich an ein Gewissen in mir glaube, suggeriere ich es mir. Ganz natürlich.

Seltsam ist dabei nur, daß, wenn ich an ein Gewissen glaube, es dadurch nicht nur entsteht, sondern auch sich ganz selbständig meinem Wunsche und Willen entgegenzustellen vermag. – – –

Entgegenstellen! – Sonderbar! – Es stellt sich also das Ich, das ich mir einbilde, dem Ich gegenüber, mit dem ich es mir selbst geschaffen habe, und spielt dann eine recht unabhängige Rolle. – – –

Eigentlich scheint es aber auch in andern Dingen so zu sein. Z. B. schlägt manchmal mein Herz schneller, wenn man von dem Morde spricht, und ich stehe dabei und bin doch sicher, daß sie mir nie auf die Spur kommen können. Ich erschrecke nicht im geringsten in solchen Fällen, – ich weiß es ganz genau, denn ich beobachte mich zu scharf, als daß es mir entgehen könnte, und doch fühle ich mein Herz schneller schlagen. –

Die Idee mit dem Gewissen ist wirklich das Teuflischste, was je ein Priester erdacht. –

Wer wohl der erste war, der diesen Gedanken in die Welt brachte! – Ein Schuldiger? Kaum! Und ein Schuldloser? Ein sogenannter Gerechter? – Wie hätte der sich so in die Folgen einer solchen Idee hineindenken können?! –

Es kann nur so sein, daß irgend ein Alter es Kindern als Schreckgespenst dargestellt hat. – Mit dem Instinkt der drohenden Wehrlosigkeit des Alters gegenüber der keimenden brutalen Kraft der Jugend. –

Ich kann mich ganz gut erinnern, wie ich noch als großer Junge für möglich gehalten hätte, daß sich die Schemen der Erschlagenen an die Fersen des Mörders heften und ihm in Visionen erscheinen. – –

Mörder! – Wie listig schon wieder das Wort gewählt und gebaut ist. – Mörder! Es liegt ordentlich etwas Knirschendes drin. –

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Meyrink: Orchideen. München o. J., Seite. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Orchideen_Meyrink.djvu/061&oldid=- (Version vom 31.7.2018)