Der Metzger mit seiner Fleischmulde sei gerade eingetreten, berichtete die alte Ursula, da plötzlich sei Herr Martin ohne Grund ohnmächtig geworden.
„Das geht so nicht weiter, du mußt in die Nervenheilanstalt des Professors Diokletian Büffelklein, der Mann genießt einen Weltruf,“ hatte der Pfarrer zu seinem Bruder gesagt, als dieser wieder zu sich gekommen war, und Martin willigte ein. –
„Sie sind Herr Schleiden? Ihr Bruder, der Pfarrer, hat mir bereits von Ihnen berichtet. Nehmen Sie Platz und erzählen Sie in kurzen Zügen,“ sagte Professor Büffelklein, als Martin das Sprechzimmer betrat.
Martin setzte sich und begann:
„Drei Monate nach dem Ereignis bei Omdurman, Sie wissen, waren die letzten Lähmungserscheinungen…“
„Zeigen Sie mir die Zunge – hm, keine Abweichung, mäßiger Tremor,“ unterbrach der Professor. „Warum erzählen Sie denn nicht weiter?“ – – –
„… waren die letzten Lähmungserscheinugen –“ setzte Martin fort.
„Schlagen Sie ein Bein über das andere, so, noch mehr, so –“ befahl der Gelehrte und klopfte sodann mit einem kleinen Stahlhammer auf die Stelle unterhalb der Kniescheibe des Patienten. Sofort fuhr das Bein in die Höhe.
„Erhöhte Reflexe,“ sagte der Professor – „haben Sie immer erhöhte Reflexe gehabt?“
„Ich weiß nicht, ich habe mir nie aufs Knie geklopft,“ meinte Martin.
„Schließen Sie ein Auge, jetzt das andere, öffnen Sie das linke, so – jetzt rechts – gut – Lichtreflexe in Ordnung.
War der Lichtreflex bei Ihnen stets in Ordnung, besonders in letzter Zeit, Herr Schleiden?“
Martin schwieg resigniert.
„Auf solche Zeichen hätten Sie eben achten müssen,“
Gustav Meyrink: Orchideen. München o. J., Seite. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Orchideen_Meyrink.djvu/055&oldid=- (Version vom 31.7.2018)