Ich bog nach rechts und schlug den Weg zur Gemälde-Ausstellung ein.
Ich kam zur katholischen Norbertskirche, einem kleinen unscheinbaren Bau aus dem Anfang unseres Jahrhunderts. Ich fühlte mich müde und entschloß mich, einen Augenblick in der Kirche zu rasten.
Drinnen war’s dämmerig, und ein süßlicher Duft von Weihrauch und ein warmer Hauch von brennenden Wachskerzen erfüllte den engen Raum, der durch seine unverhältnismäßige Höhe noch zusammengedrückter erschien. Am Hochaltar las ein alter, weißhaariger Priester in goldstrotzendem Gewand die Messe. Seine Bewegungen waren voll und klar und von einer unendlichen Würde. Ich studierte sofort eingehend die ganze Regiekunst dieses so ausgebreiteten und fortwährend im Zunehmen begriffenen Glaubens und fand sie bewunderungswürdig. Wie das alles klappte, wie das auf Stimmung berechnet war, wie farbenprächtig, welch eine lebensfreudige Entsagung, was für ein echt künstlerisches Paradoxon!
Es waren fast gar keine Beter da. So ruhig, so still, fast traut.
Arnold Hagenauer: Muspilli. Leipzig 1900, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Muspilli_hagenauer.djvu/126&oldid=- (Version vom 31.7.2018)