mit lauter und mir fremder Stimme das Vaterunser zu sprechen. Und bei der sechsten Bitte: „Und führe uns nicht in Versuchung“ wachte ich auf. Ich lag schweißgebadet am Rücken. Es war noch tiefe Nacht. Auf der Straße rasselte ein Wagen vorüber. Dann war es wieder ganz still. Und gegen Morgen begann es zu regnen. Da schmolz der Schnee und nun fieng es an, langsam Frühling zu werden.
An einem kühlen Aprilabend saßen wir in einer rauchigen Gasthausstube, an der Grenze zweier Vororte, an einem leidlich anständig gedeckten Tisch. Ich war nur leiblich anwesend, mein Geist bewegte sich in einer eigenthümlich-barocken Traumwelt, fern von all dem, was ihn tagsüber bewegte und quälte. Es war ziemlich ungemüthlich. Die vor Fontana in Ehrfurcht ersterbende Idiotengemeinde, welche hier allabendlich sich den Schweiß mit Bier hinunterspülte und den Wanst mit thierischem Behagen vollpfropfte, empfand vor mir eine Art kindischer Verachtung. Mich zog der Zwang der alltäglich durch Monate geübten Gewohnheit her, und ein unbestimmtes Gefühl, das mich antrieb, Ernst zu beobachten, obwohl es mir schon gleichgiltig
Arnold Hagenauer: Muspilli. Leipzig 1900, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Muspilli_hagenauer.djvu/103&oldid=- (Version vom 31.7.2018)