Mit einem harten „Niemals“ begegnete Frau Vanselow meiner Begeisterung für diesen Zusammenschluß. „Aufspielen will sich die Kurz, von sich reden machen, nachdem ihr angesichts unserer Erfolge längst schon die Galle überläuft …“ Nur schwer gelang es mir, sie zu beruhigen und zur Teilnahme an den vorbereitenden Sitzungen zu bewegen. Ein Heer von Frauen, in der ganzen Welt zu einer Organisation zusammengeschlossen, – war das nicht die welterobernde Macht der Zukunft?! Hier würde die Arbeiterin neben der Bourgeoisdame, die Sozialdemokratin neben der Frau des Ostelbiers zu Worte kommen; im friedlichen Austausch der Ideen würde schließlich die lebenskräftigste siegen, – durch die Mütter der kommenden Generation würde leise und natürlich die Quelle in die Menschheit gelenkt werden, die bestimmt war, als Strom die Schiffe der Zukunft zu tragen!
„Also eine Ethische Gesellschaft der Frauen, – nach unserem Plan!“ meinte Georg. Ich benutzte den nächsten freien Augenblick, um mit Martha Bartels die Sache zu besprechen. Seltsam: sie wußte von nichts, das Zirkular war ihr nicht zugegangen. „Und wenn ich es schon erhalten hätte,“ sagte sie, „es ist mir zweifelhaft, ob meine Genossinnen eine Beteiligung für nützlich gehalten haben würden.“
„Aber bedenken Sie doch, welch ein Agitationsgebiet sich Ihnen eröffnen würde“ – eiferte ich, auf das schmerzlichste überrascht durch ihre ablehnende Haltung, – denn daß die Aufforderung sie nur durch irgend einen Zufall nicht erreicht hatte, davon war ich überzeugt, – es war ja im Zirkular die Rede von „allen Frauen“.
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 631. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/633&oldid=- (Version vom 31.7.2018)