Der Verein Frauenrecht hatte mich trotz meiner Sünden in seinen Vorstand gewählt: Ich war ein „Name“, – damit hatte Frau Vanselow die Mitglieder für ihren Plan gewonnen. Und ich hatte trotz meiner inneren Abneigung die Wahl angenommen: der Verein war am Ende doch ein wirksames Mittel zum Zweck. Vor allem galt es eins durchzusetzen: die deutsche Frauenbewegung aus ihrem Veilchen-Dasein zu befreien. Fünfundzwanzig Jahre hatte ich selbst gelebt, ehe ich von ihrer Existenz etwas erfuhr. Die deutsche Presse nahm noch jetzt kaum je irgendwelche Notiz von ihr.
Es gelang mir zunächst – nachdem ich von vornherein die Arbeit dafür auf mich genommen hatte –, eine Zeitungs-Korrespondenz durchzusetzen, und ich hatte die Genugtuung, daß meine Notizen in zahlreichen Blättern Aufnahme fanden. Nun mußte ein Organ geschaffen werden, – eine weithin sichtbare Fahne für unsere Sache. Ich gewann den Verleger der Ethischen Blätter für die Idee und kam strahlend über diesen Erfolg in die Vorstandssitzung des Vereins. Aber statt allgemeiner Freude begegnete ich allgemeinem Widerstand. Über die Verantwortung, die wir damit auf uns nehmen müßten, jammerte die eine, über die „seit Jahren liebgewordenen“ Vereinsmitteilungen, an deren Stelle die Zeitschrift treten sollte, die andere.
„Und die Frage der Redaktion ist doch vor allem eine schwer zu entscheidende,“ meinte mit bedenklich hoch gezogenen Augenbrauen Frau Vanselow und sah mich prüfend an. Ich begriff.
„Selbstverständlich wird sie unserer verehrten Vorsitzenden
Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin. Albert Langen, München 1909, Seite 629. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Memoiren_einer_Sozialistin_-_Lehrjahre_(Braun).djvu/631&oldid=- (Version vom 31.7.2018)